Der Notstand hätte im Tessin längst vorher ausgerufen werden müssen – aber nicht wegen dem Corona-Virus

Mar 20 • Deutsche Seite, L'opinione, Prima Pagina • 499 Views • Commenti disabilitati su Der Notstand hätte im Tessin längst vorher ausgerufen werden müssen – aber nicht wegen dem Corona-Virus

Rolando Burkhard

Der Kanton Tessin hat den Notstand ausgerufen, der Bund sodann die „Besondere Lage“. Wegen dem Corona-Virus. Es wurde in Bellinzona und Bundesbern ein ganzes einschneidendes Massnahmenbündel beschlossen, erstaunlicherweise nur eines nicht: Die Schliessung der Grenze zur nahen Lombardei, wo die Krankheitsfälle apokalyptische Zustände erreichen. Das Massnahmenpaket mutet zugegebenermassen etwas polit-kosmetisch an: Während beispielsweise hierzulande Versammlungen von 2-3 Dutzend Leuten im oberen Maggiatal nicht mehr stattfinden, dürfen die italienischen Grenzgänger weiterhin einreisen.

Die Grenzgänger aus der Lombardei (rund 70’000, derzeit natürlich weniger) kommen also weiterhin tagtäglich ins Tessin. Dies ist nicht nur jetzt wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr problematisch, sondern war es schon immer, vor allem aus strukturellen wirtschaftlichen Gründen.

Der eigentliche Notstand besteht darin, dass die Tessiner Wirtschaft offenbar nur noch dann funktioniert, wenn tagtäglich rund 70’000 ausländische Arbeitskräfte mithelfen.

Wenn aber eine Wirtschaft nur noch dann funktioniert, wenn man für rund einen Drittel der Arbeitskräfte auf ausländische Hilfe angewiesen ist, dann befinden wir uns in einer Situation, die man mit Fug und Recht längst als Notstand hätte erklären müssen. Denn die Auslandabhängigkeit der Wirtschaft ist dermassen gross, dass man deshalb sogar im Falle eines medizinischen Notstandes die eigentlich nötigen Massnahmen – nämlich die Schliessung der Grenze – nicht mehr zu ergreifen in der Lage ist.

Wenn die Tessiner Wirtschaft nur noch mit einem Drittel ausländischer Arbeitskräfte funktioniert, ist sie entweder überdimensioniert oder völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Das ist in keinem anderen Schweizer Kanton so.

Und wenn es gar eines Virus bedarf, um die daraus entstandene Problematik aufzuzeigen, steht es schlecht um den Kanton, man kommt stets eine Katastrophe zu spät. Obschon es an frühzeitigen Warnungen beileibe nicht gefehlt hat. Schon nur eine radikale und nicht nur Proforma-Umsetzung des von der Tessiner SVP lancierten und zustand gekommenen Volksbegehrens „Prima i nostri“ hätte hier Abhilfe schaffen können.

Es geht mir hier keineswegs darum, die Corona-Virus-Gefahr instrumentalisieren zu wollen. Über kurz oder lang werden wir das Corona-Problem in den Griff kriegen, und der Notstand wird aufgehoben werden.  Das grundsätzliche Problem der krassen Auslandabhängigkeit der Tessiner Wirtschaft aber wird bleiben, und damit auch die wirtschaftliche Notstandssituation.

Der nächstmögliche Notnagel könnte die Begrenzungsinitiative sein, über die wir demnächst abstimmen werden. Dass diese im Tessin angenommen wird, scheint mir recht klar. Ob dies angesichts der massiven Gegenpropaganda auch gesamtschweizerisch der Fall ist, ist vorläufig noch offen. Vielleicht aber merkt nun langsam auch das gesamte Schweizer Stimmvolk, dass es landesweit Notstände zu vermeiden gilt. Nicht nur medizinische.

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