Expo 2015: Die Gründe für ein nicht wirklich überzeugtes NEIN
Editorial
Ich habe NEIN gestimmt zum Kredit für die Teilnahme an EXPO 2015, so wie ich das übrigens bereits im Grossen Rat getan hatte. Wegen beschränktem Horizont, aus Mangel an Visionen, wegen wirtschaftsfeindlicher Haltung ? Eindeutig nicht, mein Entscheid erfolgte nach Abwägung der Für und Wider – und ich gebe gerne zu, dass erstere zu überwiegen scheinen – aber auch aus der Notwendigkeit, zu betonen, dass man in unserem Land die direkte Demokratie respektieren muss. Dies ungeachtet dessen, ob man die daraus hervorgehenden Resultate gutheisst oder nicht.
Ein gerütteltes Mass an Pro-Argumenten…
Eine Weltausstellung ist ein Anlass von grosser Bedeutung. Geradezu ausserordentlich für uns ist, dass sie einen Katzensprung von uns entfernt stattfindet. Es ist somit nicht nur vernünftig, sondern wünschenswert, die Gelegenheit nicht zu verpassen, um daran teilzunehmen. Denn dies ist wahrscheinlich eine Chance, die wir jahrelang nicht mehr haben werden. Eine einzigartige Chance – wenn gut genutzt – um unseren Tourismus, unsere Industrie und die Tessiner Wirtschaft insgesamt zu fördern. Die Kosten von 3,5 Millionen Franken erscheinen – auch wenn es sich nicht um einen Pappenstiel handelt und es vor allem auch die nicht rosige wirtschaftliche Lage des Kantons zu beachten gilt – tragbar, ungeachtet des wirtschaftlichen Nutzens, der erst nach gefallenem Vorhang gerechnet werden können.
…aber auch einige berechtigte Zweifel
Vorweg bedarf es, um voll und ganz an die Güte des Projekts zu glauben, einer Voraussetzung, die heute – angesichts der politischen Spannungen, die infolge der ausbleibenden Reziprozität in der Anwendung der Bilateralen Verträge und wegen dem Setzen der Schweiz auf die „Black Lists“ seitens unseres Nachbarlandes entstanden sind – bei weitem nicht selbstverständlich ist: Nämlich des Vertrauens in Italien. Verspätungen bei den Arbeiten, Irrungen, Wirrungen und Schmiergeldzahlungen bei den Arbeitsvergebungen mit Beteiligung der Mafia, Ndrangheta und anderen Ausprägungen der organisierten Kriminalität, geben keineswegs Gewähr dafür, dass das Grossereignis gemäss Programm durchgezogen werden kann. Wahrscheinlich wird dann die Phantasie und die Improvisationskunst der Italiener dazu führen, dass die Veranstaltung gut verläuft, aber von Sicherheit kann man sicher nicht sprechen.
Zweitens ist es sehr wahrscheinlich, dass zumindest im Hinblick auf unsere Hotels der wirtschaftliche Schub ohnehin erfolgt, da die geografische Nähe und der grosse Nachfrageüberhang dazu führen wird, dass unsere Hotellerie so oder so überdurchschnittlich gut ausgelastet sein wird.
Ein äusserst mangelhaft geführtes Dossier
Das ist das Minimum, das sich sagen lässt. Der Staatsrat ist Verpflichtungen eingegangen, ohne auch nur minimal in Betracht zu ziehen, dass eine Oppositionsbewegung gegen das Projekt entstehen könnte. Eine Bewegung, die sich übrigens bereits im Grossen Rat abgezeichnet hat, wo ein Drittel dagegen stimmte. Daher das Ergreifen des Referendums, welches gut 12’698 gültige Unterschriften auf sich vereinigte, und welches gute Chancen hat, vom Volk angenommen zu werden. Und gerade deswegen hat der Staatsrat versucht, das Gesicht zu wahren – SEIN Gesicht, nicht jenes des Tessins, wie er uns glaubhaft machen will; denn auf dem Spiel steht nicht die Ehre und Vernunft des Tessiner Volkes, sondern einzig und alleine die Glaubwürdigkeit seiner Regierung! – indem er einen „Plan B“ vorlegte, mit dem er die Mithilfe der Wirtschaft anforderte und den Restbetrag über den SportToto-Fonds abzudecken gedenkt. Wenn nun die Investition seitens der Privatwirtschaft absolut legitim ist, ist das Zurückgreifen auf immerhin öffentliche Gelder – auch wenn der Staatsrat darüber das Verfügungsrecht hat – ethisch mehr als nur fragwürdig.
Denn bei diesem Vorgehen handelt es sich um eine klare Missfallenskundgebung gegenüber der direkten Demokratie, das übrigens verfrüht erfolgt, denn es steht noch keineswegs fest, dass die Tessiner dem vom Grossen Rat beschlossenen Kredit nicht doch noch zustimmen. Aber der urbi et orbi verkündete Beschluss, dass das Tessin an der Expo 2015 teilnehmen wird – dies mit öffentlichen Geldern – ist ungeachtet des Ausgangs der Abstimmung arrogant und beleidigt all jene Bürger, die trotz der notorischen Misswirtschaft Bundesberns nach wie vor noch glauben, dass die direkte Demokratie ein wirksames Mittel gegen die Verschwendung der öffentlichen Mittel darstelle.
Der umgekehrte Weg wäre der richtige gewesen
Aber warum kam es denn überhaupt dazu, dass man Abhilfe schaffen musste ? Wäre es denn – da von der Beteiligung des Tessins an der Expo 2015 die Wirtschaft am meisten profitiert – nicht viel logischer gewesen, den „Plan B“ gleich zu Beginn umzusetzen ? Will heissen: Die Beteiligung der Wirtschaft einzufordern – welche mindestens teilweise durchaus bereit ist, sich finanziell zu beteiligen – und erst danach an den Grossen Rat zu gelangen zwecks Einholung von Beschlüssen zur Deckung der allfälligen Restkosten ?
So wie es aussieht, wird etwa die Hälfte der Kosten von der Privatwirtschaft gedeckt, und man gibt sich zuversichtlich, dass der auf diesem Wege zusammengekratzte Betrag weiter anwächst. Nun, wenn man mit der Hälfte der Investition ans Parlament gelangt wäre, wäre die Botschaft nicht auf grossen Widerstand gestossen. Und da die Lega mit ihrem Minderheitsantrag die Halbierung des Kredits vorgeschlagen hatte, zweifle ich daran, dass sie gegen den von ihr selber eingebrachten Vorschlag das Referendum ergriffen hätte. Und alle hätten glücklich und zufrieden damit leben können…insbesondere jene Staatsräte, welche dann hingegen recht eigentliche Turnübungen vollbringen mussten, um ihre voreilig eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.
Ein hoffentlich zukunftsweisender Wink
Mein NEIN war somit ein Wink an den Staatsrat, künftig den Weg der Vernunft und des gesunden Menschenverstands einzuschlagen, dies meines Erachtens in zweierlei Hinsicht: Erstens sollte man nicht einfach davon ausgehen, dass das Stimmvolk immer gleich denkt wie die Regierung, und man sollte ihm den Puls fühlen, bevor man Verpflichtungen eingeht und Versprechen abgibt, die dann vielleicht unmöglich einzuhalten sind. Zweitens: Wann immer der Souverän in einer Volksabstimmung seinen Willen kundtut, soll man sich daran halten und nicht versuchen, den Volkswillen mit an Opportunismus grenzenden juristischen Rechtfertigungen zu umgehen. Wir müssen ja bereits auf Bundesebene gegen diese Unsitte ankämpfen. Also sollten wir dafür sorgen, dass sie nicht auch im Tessin um sich greift.
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