Ein Projekt, das weiter zu führen ist
Editorial
Um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen sage ich gleich zu Beginn, dass dies meine persönlichen Überlegungen sind, die nicht unbedingt mit der Haltung der SVP Tessin übereinstimmen müssen. Die Parteihaltung wird erst nach einer vertieften Diskussion im Rahmen der Parteileitung (4. Mai) und des Kantonalvorstandes (12. Mai) bekannt gegeben werden.
Vorweg sei gesagt, dass man vernünftigerweise kaum verhehlen kann, dass der erste Wahlgang von „La Destra“ enttäuschend verlaufen ist und die Erwartungen nicht erfüllt hat. Aber es wäre falsch, deshalb ein an und für sich wertvolles Projekt in Grund und Boden zu verdammen (nämlich die Vereinigung der Rechtskräfte des Tessins, um die linke Tendenz für neuerliche Steuern und Steuererhöhungen zu bekämpfen, um damit die Vergeudungen zu berappen und Finanzlöcher zu stopfen, für welche SÄMTLICHE Regierungsparteien der letzten Jahre, ungeachtet ihrer Wählerstärke verantwortlich sind), ohne die Dinge – zu Recht oder zu Unrecht, aber zumindest seriös – einer genaueren Analyse zu unterziehen. Der Verzicht auf eine solche Analyse würde heissen, den Einwänden seitens jener Opportunisten nachzugeben, die sie oft lediglich wegen der Verfehlung ihres Wahlziels erhoben haben.
Ein Mehrheitsentscheid des Kantonalvorstandes
Eines gilt es hervorzuheben: Der Entscheid für die Allianz mit der EDU und Area Liberale wurde – wenn auch nur mehrheitlich, einige Gegenstimmen gab es – vom zuständigen Organ getroffen, will heissen vom Kantonalvorstand. Es bringt deshalb nichts, jetzt diese Niederlage zu beklagen und die Verantwortung dafür auf wenige Leute der Parteispitze abzuwälzen und – auf Internetportalen und „Social Networks“, mit dem Applaus von feige sich oft hinter Pseudonymen verbergenden Grossmäulern – jetzt zu fordern, dass ihr Präsident dem Beispiel seines Amtskollegen einer anderen Partei folge, welcher „seine Verantwortung übernommen“ und deshalb die Parteiführung abgegeben habe. Seine Verantwortung übernommen ? Das ist doch Blödsinn! Die eigene Verantwortung – wenn es denn eine solche überhaupt geben sollte, denn ich kann mir gut vorstellen, dass auch in jener anderen Partei die Entscheide nicht durch den Präsidenten alleine oder den Parteiausschuss getroffen wurden – nimmt man allenfalls dadurch wahr, dass man auf seinem Posten bleibt und nach Lösungen sucht, um für die Partei die verlorenen Stimmen zurück zu gewinnen; sicher nicht dadurch, dass man, à la Kapitän Schettino – in absoluter Gelassenheit, denn dafür würde man jemanden nicht vor ein Gericht stellen oder mit einer Busse von einigen hunderttausend Franken belegen – das Schiff verlässt. Wenn ihn dann allenfalls der Parteikongress am Ende der Amtsperiode nicht mehr wiederwählt, wird ihn das weitaus mehr schmerzen als seine spontane Mandatsaufgabe. Zumindest hätte er sich unter Wahrnehmung seiner Verantwortung einem klaren Entscheid unterzogen.
Nicht belegbare Thesen
Darf man behaupten, dass die SVP – wenn sie alleine angetreten wäre – ein besseres Resultat erzielt hätte ? Selbstverständlich kann man das. Ebenso könnte man das Gegenteil behaupten. Keine der beiden Thesen lässt sich belegen. Und die Wahrscheinlichkeitsrechnung wird umso komplizierter wegen der höheren Wahlbeteiligung aufgrund der Möglichkeit der brieflichen Stimmabgabe. Für das Resultat ist meines Erachtens – aufgrund der Sympathien eines Teils unserer Wählerschaft für die Lega (und auch aufgrund deren Überzeugung, dass diese besser regiere als die FDP, welche als einzige Partei mit einigen Erfolgsaussichten ihren zweiten ehemaligen Staatsratssitz anstreben konnte) – vor allem der Verlust von Parteistimmen massgebend gewesen, und nicht die Zusammenarbeit mit der EDU und AL, welche uns, im Gegenteil, vor einem weiteren Wählerverlust bewahrt und weiterhin die Fraktionsbildung im Grossen Rat ermöglicht haben.
Anders gesagt – aber selbstverständlich ist auch diese weitere meiner Thesen nicht belegbar: Wären wir alleine angetreten, hätten wir (so wie übrigens auch die CVP und die SP) Stimmen eingebüsst zugunsten der Lega oder der FDP, deren Zweikampf als weitaus wichtiger eingestuft wurde als ein Treuebekenntnis für die eigene Partei. Resultat: Vielleicht hätten wir dadurch nur drei Sitze erlangt, davon zwei im Sottoceneri (wo wir ein grösseres Wählerpotential haben) und einen im Sopraceneri, Orlando Del Don wäre so oder so ausgeschlossen worden weil Gabriele Pinoja mehr Stimmen gemacht hat, während im Sottoceneri Marco Chiesa und Lara Filippini gewählt worden wären. Vielleicht, aber das sage ich mit vielen Vorbehalten, hätten Morisoli und Pamini es nicht beide geschafft, gewählt zu werden, und wenn nur einer der beiden gewählt worden wäre, hätte es uns zur Fraktionsstärke nicht gereicht, und wir hätten neben den Entschädigungen auch das Recht der Einsitznahme in den Kommissionen verloren.
Wir wollen keine „nützlichen Idioten“ sein, aber es ist schändlich, dies nun von anderen zu verlangen
Einige unserer Wähler, und leider auch einige unserer Kandidaten, haben sich meines Wissens darüber beklagt, „wir hätten Area Liberale zwei Sitze geschenkt“. Persönlich finde ich eine solche Behauptung schlicht skandalös. Erstens haben wir nichts verschenkt, denn sowohl die Kandidaten von AL und der EDU haben ihren Wahlkampf geführt, mit einem persönlichem und finanziellem Engagement, das auch der gemeinsamen Wahlliste mit der SVP zugute kam. Aber die Bösgläubigkeit dieser Behauptung wird von der Tatsache unterstrichen, dass wir die Lega nicht unterstützt haben, nicht nur deshalb, weil es für uns absolut nötig war, eine eigene Liste einzureichen, um voll am Wahlkampf teilnehmen zu können, sondern auch weil wir es satt hatten, „nützliche Idioten“ zu sein; und jetzt hält man dafür, dass wir ebendiese Haltung, die wir seit Jahren als SVP der Lega vorwerfen, gegenüber unseren Partner AL und der EDU einnehmen sollten. Will heissen: Die Parteistimmen – so viele oder wenige es auch sein mögen – welche AL und EDU einbringen, sind willkommen, um SVP-Leute zu wählen – aber wehe wenn diese Parteien profitieren von der Allianz, um damit den einen oder anderen eigenen Sitz zu erlangen ? Schämt euch !
Das schwierige Verhältnis mit der Lega
Nach geschlagener Schlacht kann man getrost der Meinung sein, dass der Angriff auf die Lega zu direkt und kontraproduktiv gewesen sei. Immerhin muss man sagen, dass man – wenn man eine Liste für die Staatsratswahlen einreicht – auch daran glauben und sich das Ziel eines Sitzgewinns – auch wenn es schwierig erscheint – setzen muss. Nun war der einzige wirklich umkämpfte Sitz jener, auf den die FDP mehr als alle anderen Parteien Anspruch erhob, nämlich jener zweite Sitz, den sie bis vor vier Jahren inne hatte und der damals dank unserer Mithilfe an die Lega ging und nun der Lega erhalten bleibt. Denn es war nicht denkbar, die CVP oder die SP aus der Regierung zu kippen. Deshalb erfolgte unser Angriff, der nach Ansicht von einigen zu virulent und deshalb kontraproduktiv, aber alles in allem begründet war (es sei denn man betrachte die Wahlkampagnen in unserem Kanton schlicht und einfach nur als Suche nach dem geringeren Übel). Denn oft musste ich mir sagen lassen „also ziehst Du es vor, dass ein weiterer Radikaler (Angehöriger des linken Flügels der FDP; Anm.d.Ü.) in die Regierung einzieht ?“. Nein, klar nicht, ich hätte die Wahl eines SVP-Kandidaten vorgezogen, aber das war jedenfalls nicht die einzige Alternative, denn auf der FDP-Wahlliste gab es ja nicht nur Radikale. Jedenfalls war es im Nachhinein wahrscheinlich falsch, auf die die Fehler der anderen statt auf die Vorzüge der eigenen Leute zu setzen, und das wird Gegenstand einer Überprüfung und Überdenkung der Dinge sein müssen.
Nun stehen im Oktober die eidgenössischen Wahlen an, für die es allerdings eine Möglichkeit für eine Listenverbindung im gegenseitigen Interesse gibt, ohne mehr oder weniger unverdaubare Nebeneffekte: Jeder macht seine Liste, man führt sie zusammen, und die Zusatzgewinnen ermöglichen, falls ausreichend, die Wahl eines zusätzlichen Parlamentariers in Bern. Uns geht’s um die Bestätigung unseres Sitzes, und die Lega ist ebenso interessiert daran, ihre beiden Sitze zu verteidigen. Also warten wir einmal ab, wie sich die Dinge entwickeln.
Das Projekt „La Destra“ muss weiter geführt werden
Ich bin dieser Ansicht. Die erhaltene breite Zustimmung – vorläufig noch in Form von Vorzugsstimmen; aber wir haben ja stets gesagt, es handle sich um ein mittelfristig angelegtes Projekt – zeigt auf, dass die Vorstellung eines liberal-konservativen Pools im Tessin ein gutes Entwicklungspotential besitzt. Und es wäre meines Erachtens falsch, diese Idee nur wegen den Startschwierigkeiten aufzugeben. Was es auf jeden Fall braucht, ist eine Legislaturperiode, in welcher wir ohne wenn und aber wenn nötig auf Oppositionskurs gehen und Mängel aufzeigen, und in der wir nötigenfalls auf kantonaler Ebene Initiativen und Referenden ergreifen, wenn es darum geht, nicht dem Volkswillen entsprechende Entscheide von Regierung und Parlament zu bekämpfen. Wie bereits gesagt, dies hier sind meine persönlichen Überlegungen. Was die Partei tun wird, das werden die zuständigen Parteiorgane in den nächsten Tagen entscheiden.
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