Prävention? Aber bitteschön…!
Editorial
Vorbemerkung: Ich äussere hier meine persönliche Meinung, die nicht unbedingt mit jener meiner Partei und seiner Vertretung im Grossen Rat übereinstimmt. Diese Vorbemerkung ist im Hinblick auf meine folgenden Behauptung vonnöten: Vom Standpunkt der Logik polizeilicher Massnahmen aus betrachtet – seien diese zwingender oder präventiver Natur – erscheinen Voranmeldungen von mobilen Radarkontrollen noch verrückter als die phantasievollen Erinnerungen an den Film „Panzerkreuzer Potemkin“. Denn es wäre wie wenn die Polizei 24 Stunden im Voraus Razzien in nicht bewilligten Bordellen oder geheimen Spielhöllen ankündigen müsste. Aber die Besucher solcher Lokale sind relativ wenige und stehen zudem unter strikter Kontrolle von eifersüchtigen oder schon nur aufs Haushaltsgeld bedachten Ehefrauen, und somit käme niemand auf die Idee, so etwas zu verlangen. Motorfahrzeugführer hingegen sind wir praktisch fast alle, und die „Frohnaturen“ bilden wahrscheinlich die Mehrheit, zumindest wenn wir an die Verhältnismässigkeit der jüngsten Abstimmung im Grossen Rat glauben sollen. Daraus resultierte der meines Erachtens unlogische, aber willkommene Entscheid unseres Parlaments. Ich selber bin zweifelsohne ein „frohnaturhafter“ Fahrzeugführer. So würde ich die Möglichkeit begrüssen, ein „Bussenabonnement“ abzuschliessen und dafür im voraus einen Jahresbeitrag zu entrichten. Natürlich scherze ich, und aufgrund meines machiavellistischen Gedankenguts kann ich mich über den Entscheid des Grossen Rats nur freuen, aber meine nachfolgenden Überlegungen zu diesen Dingen sind ernst gemeint.
Prävention gegen was ?
Vor allem gilt es sich zu fragen, was man denn durch Prävention eigentlich verhindern will: Einen Verkehrsunfall auf einem bestimmten Strassenstück oder ganz generell die Überschreitung von Höchstgeschwindigkeiten ? Beides, wird man mir sagen. Allerdings gibt es zwischen diesen beiden Anliegen einen nicht zu unterschätzenden Unterschied, und in beiden Fällen ist die Wirksamkeit der Radarkontrollen meines Erachtens eher zweifelhaft.
Im ersten Fall zeitigt die Massnahme – da man ja erst NACH dem Passieren des besagten Strassenabschnitts mit überhöhter Geschwindigkeit gebüsst wird – keinerlei präventiven Effekt hinsichtlich eines Unfalls. Anders ausgedrückt: Wenn ich wegen überhöhter Geschwindigkeit einen Fussgänger oder Radfahrer platt fahre, hat dies das nachträgliche Bezahlen der Busse nicht verhindert.
Im zweiten Fall müsste mir, wenn der Präventiveffekt wirklich real wäre – wie die Behörden und Befürworter von unangemeldeten Radarkontrollen uns glauben machen möchten – schon jemand erklären können, warum im Budget des Staates eine spezielle Rubrik für Einnahmen von Bussen wegen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit aufscheint, die meines Wissens im Verlaufe der Jahre nie gesenkt wurden, im Gegenteil. Wenn nun die Radars den ach so hoch gepriesenen Abschreckungseffekt erzielten, hätte der Bussenumfang im Verlaufe der Jahre sinken und im Idealfall sogar auf Null absteigen müssen.
Der Präventiveffekt des Radarkontrollen ist somit meiner Meinung nach in beiden Fällen gleich Null.
Verzichten wir auf Radarfallen, heben dafür aber gewisse Geschwindigkeitsbegrenzungen auf
Ich beachte die 50er Begrenzungen in bewohnten Gebieten, weil ich sie vernünftig finde. Etwas weniger die 30er Begrenzungen und praktisch nie die 20er; nicht weil ich es nicht will, sondern ganz einfach weil ich es schwierig finde, bei dieser Geschwindigkeit den Fuss auf dem Gaspedal unter Kontrolle zu behalten. Es geht jedenfalls stets um eine kleine Übertretung von 2-3 km/h ohne Auswirkungen auf meine Reaktionsgeschwindigkeit im Falle von unvorhergesehenen Situationen.
Was mich bei weitem störrischer macht – vor allem, weil ich es als patentierten Blödsinn betrachte – ist die Einhaltung der 100er- oder sogar 80er-Beschränkungen auf Autobahnen. Ich meine damit nicht jene auf den ständigen Baustellen, mit welchen das Bundesamt für Strassen übers ganze Jahr hinweg die Autofahrer ärgert, sondern die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf absolut baustellenfreien und völlig problemlos zu befahrenden Strassenabschnitten. In der Deutschschweiz gibt es davon eine Riesenmenge, aber auch im Tessin scherzt man damit nicht. Zum Beispiel das Strassenstück zwischen dem Mappo-Morettina-Tunnel und dem „Stradonino“ (d.h. dem Mega-Kreisel auf der Magadinoebene) : Es handelt sich um eine eigentliche Autobahn mit je zwei breiten Fahrspuren in beiden Richtungen; es bleibt ein Rätsel, warum für dort eine 100er Begrenzung gilt. Dasselbe gilt für den Strassenabschnitt zwischen Biasca und Faido, obschon dort wahrscheinlich die Überholspur ein Kleinwenig enger sein könnte als die Fahrspur. Da man dort mit dem Einsatz eines mobilen Radars einen Grossteil der Autofahrer wegen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit erwischen kann, stellt sich die wohl berechtigte Frage, ob der Fehler nicht bei diesen, sondern vielmehr bei der Geschwindigkeitsbegrenzung selber zu suchen wäre.
Mit dem Alibi der Prävention verdeckt man das „Kassemachen“
Meines Erachtens ist es somit klar, dass die ganze Präventionsdiskussion schlicht und einfach als Alibi benutzt wird, um bei den ohnehin schon arg gebeutelten Automobilisten (und Motorradfahrer) „Kasse zu machen“. Wenn der Kanton ohne diese nicht unbeträchtlichen Einnahmen nicht auskommen kann (?), sei man zumindest so ehrlich, dies auch zuzugeben, ohne pathetische Rechtfertigungsversuche, um einen niemanden überzeugenden Präventionseffekt vorzugaukeln. Und ebenso wenig behaupte man, dass ein 200 Meter vor der Radarkontrolle platziertes Warnschild sich konkret auf das korrektere Fahrverhalten der Fahrzeuglenker auswirke.
Sämtlich mögliche Massnahmen zugunsten der Strassenbenutzer seien willkommen, es wäre an der Zeit, sie endlich nicht mehr allesamt unterschiedslos als gefährliche Delinquenten zu taxieren. Aber in diesem Fall von Prävention zu sprechen… Aber bitteschön ! – hätte Totò gesagt.
« Prevenzione? Ma mi faccia il piacere! Un’UDC più radicata nel territorio »