Die öffentliche Krankenkasse: ein replay von 2007

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Eros N. Mellini

Eros N. Mellini

Editorial

 

Am 28. September werden wir über die von der Linken lancierte Volksinitiative „Für eine öffentliche Krankenkasse“ abstimmen. Schon der Titel alleine ist bewusst trügerisch formuliert, weil das vorgeschlagene Modell es – zumindest im Titel – verschweigt, dass es zwar um eine öffentliche, aber gleichzeitig auch EINZIGE Krankenkasse geht. Dieses überaus nicht unbedeutende Detail wird im Gesetzesentwurf präzisiert, wo es heisst: „Die soziale Krankenversicherung wird von einer einheitlichen nationalen öffentlich-rechtlichen Einrichtung durchgeführt“. Ein weiterer Punkt, in welchem man falsch spielt, ist die bewusst herbeigeführte Verwirrung dadurch, dass man glaubhaft machen will, dass die Verteuerung der Krankenkassenprämien eine Folge der Gewinnsucht der Krankenversicherer sei, und dass deshalb die Einführung einer Einheitskrankenkasse die Kostenspirale stoppen würde. Es ist hingegen die Zunahme der Leistungen, resp. deren Verwendungen, was die Prämien in die Höhe treibt, und somit kann – ungeachtet dessen, ob die Krankenkasse öffentlich oder privat, einheitlich oder diversifiziert ist – nur eine Kosteneinsparung die Leistungen des Prämienzahlers kürzen, abgesehen vom Hausarztmodell anstelle einer höheren Franchise, etc. Somit würde die Initiative überhaupt keine Probleme lösen.

 

In Tat und Wahrheit schafft die Einheitskrankenkasse – unter dem Vorwand, damit könne man Kosten sparen – ein richtiggehendes Monopol für die medizinische Grundversicherung. Das ist ein offensichtlicher Schwindel, und dies aus drei Gründen:

 

  1. Wann denn schon hat ein Monopolregime in irgend einem Wirtschaftsbereich zur Kostenstabilisierung beigetragen? Das Gegenteil trifft zu, mangels Konkurrenz gäbe es keine Bremsen mehr für zunehmende Gesundheitskosten und entsprechende Prämienerhöhungen zulasten der Versicherten.

 

  1. Wie bereits ausgeführt, ist die Zunahme der Prämien für die Grundversicherung eine Folge der steigenden Kosten, und diese sind wiederum eine Folge der unvernünftiger weise im Krankenversicherungsgesetz statuierten – nicht ganz zufällig auf eine von der damaligen SOZIALISTISCHEN Bundesrätin Ruth Dreifuss zurückzuführende – Ausweitung der Leistungen, und nicht auf die Gewinnsucht der Krankenversicherer. Damit will ich letztere nicht als Wohlfahrtseinrichtungen erklären, die in den letzten Jahren nicht auch Fehler zulasten der Prämienzahler begangen hätten. Aber eine offene Konkurrenz gibt, zusammen mit der Jahr für Jahr freien Kassenwahl der Prämienzahler für den günstigsten Anbieter, zwar keine Gewähr für einen Stopp der ständig stark steigende Gesundheitskosten, aber zumindest für bescheidenere Steigerungen. Diese sind, solange man nicht wirksam dagegen ankämpfen kann, unausweichlich. Aber Achtung: Dies gilt für das gegenwärtige Konkurrenzmodell privater Anbieter genauso wie für das Monopolmodell, welches die Linke einführen möchte.
  2. In all meinen vielen Jahren als Politiker habe ich noch nie einen Vorschlag der Linken miterlebt, der nicht viele öffentlichen Gelder verschlungen hätte, ganz nach dem Motto „geben wir das Geld aus, geben wir es weiter aus und noch weiter aus, denn es ist ja nicht unser Geld“. Das heimliche – aber insgesamt nicht mehr gar so heimliche, da schon durchgesickerte – Ziel der Übung ist es, danach zu einkommensabhängigen Prämien zu gelangen. Will heissen: Zu einer neuen Steuer zulasten der ohnehin schon gebeutelten Mittelklasse. Das wollte ja schon die Initiative „Für eine soziale Einheitskrankenkasse“ erreichen, welche von Volk und Ständen 2007 mit über 70% bachab geschickt wurde. Sie sah, im Vergleich zum jetzigen Text, lediglich zusätzlich den Satz vor :„ Das Gesetz regelt die Finanzierung der Kasse. Es legt die Prämien nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten fest“. Also hat man praktisch den „sozialen“ Aspekt aus der Initiative weggelassen (sich aber vorweggenommen, ihn in einer zweiten Etappe einzubringen), um einmal mehr zu versuchen, die Stimmbürger über’s Ohr zu hauen. Aber man täusche sich nicht: Die finsteren Absichten der Linken bleiben stets dieselben.

 

Persönlich wäre ich nicht gegen das Prinzip einer öffentlichen Krankenkasse – aber logischerweise nicht für eine Einheitskrankenkasse – welche für mehr Konkurrenz sorgen und damit mässigend auf die Kostenspirale einwirken würde. Aber ich befürchte, dass das auf unlösbare Probleme stossen würde. Wie bereits ausgeführt: Die Prämiensteigerungen sind nicht Selbstzweck, sondern dienen dazu, die Kosten zu decken. Somit sehe ich kaum eine öffentliche Kasse, die in diesem Sinne agiert – es sei denn, man finanziere sie substanziell mit öffentlichen Mitteln – was der Linken wahrscheinlich gefallen würde, aber nicht in Frage käme. Wir hatten früher schon eine öffentliche Krankenkasse mit ähnlicher Zwecksetzung: Die interkommunale Krankenkasse. Aber sie überstand den Konkurrenzkampf nicht. Ich denke wegen der Kostensteigerung für die Leistungen, die – wenn auch weniger virulent als heute mit dem überrissenen Forderungskatalog des Krankenversicherungsgesetzes – schon damals spürbar war. Eine markante Prämienerhöhung hätte für sie dazu geführt, dass sie die kritische Masse verloren hätte, um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Katze hätte sich in den Schwanz gebissen, deshalb wurde das Projekt beerdigt.

 

Tatsache ist, dass die Versicherungsgesellschaften – unter Mithilfe jener Bundesbehörde, welche ihnen heute weiterhin die Verantwortung für unser Gesundheitswesen überträgt – nicht viel unternommen haben, um sich als verdienstvolle und vertrauenswürdige Institutionen hinzustellen, und sei es auch nur wegen ihrer jahrelangen exzessiv verlangten Prämien und deren Rückzahlung. Ich habe viele Stimmen gehört und deren Kommentare in Internet-Blogs gelesen, in welchem sie ihren Ärger ausdrückten und sagten: „Ich stimme mit JA für die öffentliche Krankenkasse, weil es sich um eine Räuberbande handelt, sie haben uns jahrelang ausgeraubt und weigern sich, ihr zu Unrecht Erworbenes zurückzugeben…“ und weiteren Unsinn ähnlichen Typs. Und wie kann man damit nicht einverstanden sein, zumindest mit dem geäusserten Misstrauen, wenn nicht auch mit der Art, es zu vermitteln ?

 

Aber aufgepasst auf das so genannte „Bauchgefühl“, mit welchem wir riskieren, eine Situation beträchtlich zu verschlechtern, die – obschon weit davon entfernt, perfekt zu sein – unser Krankenversicherungssystem im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz einnehmen lässt.

 

Abgesehen von den Protesten in der italienischen Presse gegen den Slogan „Nein zu einem Gesundheitswesen à l’italienne“ ist das italienische Beispiel des Krankenkassensystems für alle augenscheinlich. Zwar verfügt Italien über ein hochstehendes Medizinalwesen, aber wenn Sie sich der Illusion preisgeben, davon mit der Bezahlung Ihrer Krankenkassenprämie profitieren zu können, dann fragen Sie wohl besser gleich nach dem Einsatz der Sterbehilfe „Exit“. 

 

Ein einziges Beispiel, das aus einem Blog von „IlGiornale.it“ stammt: „Kürzlich benötigte ich für meine Schulter eine Magnetresonanz-Untersuchung. Ich habe den dafür vorgesehenen administrativen Weg eingeschlagen. Bei der Voranmeldung wurde mir gesagt, dass die Wartezeit…8 Monate betrage !!! Demselben Institut habe ich sodann offeriert, die Behandlung gleich in bar zu bezahlen und sie haben mir geantwortet‚ dann können Sie morgen kommen’“.  Braucht es mehr als das  zur Erklärung ?

 

 

Am 28. September also ein NEIN zur öffentlichen (Einheits-) Krankenkasse.

 

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