Wir überschätzen uns
Bei meiner Zeitungslektüre in den vergangenen Tagen stolperte ich – wie gegenwärtig so häufig – über einen Artikel betreffend Klimaerwärmung und Rückzug unserer Gletscher. Es war eine kurze historische Notiz dabei, die den Kanton Wallis und den Aletschgletscher betrifft: Im 17. Jahrhundert beteten offenbar die Bewohner des Fieschertals regelmässig, damit der Gletscher nicht weiter vorrücke und Wiesen, Ställe und ganze Landstriche unter sich begrabe. Nicht zu vergessen, dass die damalige Klimaabkühlung eine ernsthafte Bedrohung für die Landwirtschaft war. Die Gebete entsprachen der damaligen religiösen Vorstellung, wonach Gott für alle Ereignisse unserer Umwelt zuständig sei. Nur er konnte die Menschen vor grösserer Gefahr bewahren. Unterdessen hat sich die gefährliche Lag entspannt, die Gletscher schrumpfen und man könnte eigentlich Entwarnung geben. Keine Spur davon! Die heutige Situation ist angeblich viel gefährlicher und wir leben ja in einer ganz anderen Zeit als damals vor vierhundert Jahren: Heute hat Gott nichts mehr zu sagen. Wir Menschen glauben, alles im Griff zu haben, inklusive Naturgewalten, Wetter und Klima. Als logische Folge wird der Mensch für alles verantwortlich gemacht, wie wenn wir Menschen in einer Kommandozentrale das Weltklima steuern würden. Wahrscheinlich trifft weder das eine noch das andere zu: Gott greift nicht in unser Klimageschehen ein und wir Menschen haben wohl nur einen ganz kleinen Einfluss auf die Klimaerwärmung. Wir überschätzen den menschlichen Einfluss ganz gewaltig.
Nicht dass ich falsch verstanden werde: Auch ich bin für den Schutz der Umwelt, auch ich bin der Meinung, dass wir von den fossilen Brennstoffen wegkommen müssen und intelligentere Energiequellen vermehrt nutzen sollten. Aber aus anderen Gründen: Fossile Brennstoffe sind nicht unbeschränkt verfügbar, Wasser- und Windkraft und ähnliche erneuerbare Energiequellen hingegen stehen auch in Zukunft reichlich zur Verfügung. Im Hinblick auf die gegenwärtige Klimaerwärmung bin ich der Meinung, dass es weniger Hysterie, sondern vielmehr eine grosse Gelassenheit braucht. Wer will uns denn einreden, in der Geschichte unserer Erde sei das Klima immer konstant gewesen, auch damals, als der Mensch noch keine fossilen Brennstoffe eingesetzt hat? Die Fakten beweisen genau das Gegenteil. Diejenigen Lebewesen, die sich anpassten, kamen mit den neuen Bedingungen gut zurecht. Die Natur wird sich gewiss nicht den Vorstellungen des Menschen anpassen, aber wir könnten zumindest versuchen, mit der jeweiligen Situation zurecht zu kommen und uns anzupassen. Verabschieden wir uns doch vom irrsinnigen Gedanken, durch eine Unterschrift unter einen Vertrag könnte die Erwärmung von den prognostizierten zwei Grad auf vielleicht ein Grad reduziert werden. Ergreifen wir die Massnahmen, die praktisch durchführbar sind und sozial zu verkraften sind. Und wenn wir im Tessin bald das Klima von Mittelitalien und in Süd-England bald ein Tessiner Klima haben und vermehrt auch dort Reben wachsen, so lässt sich wohl damit leben. Es gibt grössere Probleme, die wir anpacken sollten. Und zwar bevor das Klima die nächsten Kapriolen schlägt und vielleicht wieder eine kältere Periode angesagt ist.
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