Kurzinterview mit Marco Chiesa

Set 6 • Dal Cantone, Dall'UDC, Dalla Svizzera, Deutsche Seite, Prima Pagina • 451 Views • Commenti disabilitati su Kurzinterview mit Marco Chiesa

Wie bekannt, wurde Marco Chiesa von der nationalen Delegiertenversammlung der SVP am 22. August 2020 in Brugg (AG) per Akklamation zum Präsidenten der SVP Schweiz gewählt. Es ist dies für ihn in persönlicher Hinsicht eine namhafte Ernennung, aber sie ist es auch für die kantonale Tessiner SVP-Sektion, die damit an Glaubwürdigkeit und Anerkennung seitens der SVP Schweiz gewinnt, was auch positive Auswirkungen auf kantonaler Ebene zeitigen wird. Es wurde bereits viel darüber gesagt, aber „Il Paese“ wollte es nicht verpassen, dieses glückliche Ereignis mittels eines kurzen Interviews mit dem neugewählten Präsidenten zu unterstreichen.

I.P.: Herr Chiesa, lieber Marco, vorweg herzliche Gratulationen zu Deiner brillanten Wahl. Dies in eine Funktion, die Dir – als Zusatzbelastung zu Deinen vielen Pflichten als Ständerat – einen (fast) totalen zeitlichen Einsatz für die Partei abverlangen wird. Wie bringst Du diesen Einsatz mit Deinen nicht weniger wichtigen Verpflichtungen in Deinem privaten Leben unter einen Hut ? Bleibt Dir noch genügend Zeit für Deine Familie?  

Ich habe alle diese verpflichtenden Engagements in meine Überlegungen einbezogen. Und natürlich habe ich darüber offen mit meiner Familie gesprochen, die mich stets unterstützt hat und das auch weiterhin tun wird. Das Amt als Ständerat beansprucht bereits heute viel Zeit und ist schwerlich vereinbar mit meiner beruflichen Tätigkeit als Direktor eines intergenerationalen Zentrums. Aus diesem Grunde habe ich zusammen mit dem Kollegen und Freund Piero Marchesi und eines weiteren illustren „Partners“ eine kleine Treuhandfirma gegründet, die Ticinoconsult.

I.P.: Vorerst Nationalrat, dann Ständerat, und nun Präsident der SVP Schweiz. Während Dein politischer Werdegang bis zu Deiner Wahl in den Nationalrat im Jahre 2015 alles in allem dem normalen Verlauf der Dinge entsprach (Gemeinderat, dann Grossrat) verlief Deine politische Karriere 2019/2020 geradezu stratosphärisch. Kam dies dank Deinem grossen Einsatz, Deinen persönlichen Fähigkeiten, oder dank einer idealen politischen Konstellation (im richtigen Moment am richtigen Platz gewesen zu sein…) zustande? Auf was führst Du selber diesbezüglich Deinen Erfolg zurück?

Wie immer im Leben muss man die richtige Person im richtigen Moment am richtigen Platz sein. Dessen ungeachtet wird dir nichts geschenkt, und so bin ich überzeugt, dass der Einsatz, die Hingabe und Leidenschaft, die ich bei der Erfüllung meiner Aufgaben an den Tag legte, von den Parteimitgliedern und Ratskollegen besonders geschätzt wurde. Das sage ich mit Bescheidenheit, aber auch mit einem gewissen Stolz.

I.P.: Wie beurteilst Du Deine Wahl? Als eine ideale Wahl für die gegenwärtige SVP, oder als eine Notlösung (wie es gewisse Medien heimtückisch insinuiert haben)?

Ich traf mich bereits im Verlaufe des Monats Februar mit der Findungskommission und habe bereits damals zu verstehen bekommen, dass ich in einem engen Kreise von bevorzugten Kandidaten sei. In diesem Zeitpunkt war ich allerdings noch nicht in der Lage, meine Bereitschaft zu erklären, und deshalb habe ich die Aufforderung abgelehnt, diese Option ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Da erst frisch in den Ständerat gewählt, konnte ich zudem noch nicht abschätzen, welche Auswirkungen dieses Mandat auf meine berufliche Tätigkeit haben würde. Nach der Überwindung des COVID19-Notstands habe ich nach meiner 15jährigen Tätigkeit in Grono schliesslich beschlossen, dass für mich der Moment gekommen sei, eine neue fesselnde Herausforderung anzunehmen. Und so habe ich meine Bereitschaft für eine Kandidatur als Präsident der wählerstärksten Schweizer Partei erklärt.

I.P.: Als Tessiner vertrittst Du die Lateinische Schweiz. Man sagt, Du seiest auch gewählt worden, um endlich für die SVP die Romandie zu erobern. Glaubst Du, als Tessiner dieses Ziel erreichen zu können? Denn bisher hat die Romandie noch nie eine überschwengliche Liebe für das Tessin manifestiert.

Sämtliche Präsidenten werden dafür gewählt, unsere Werte und die von der Delegiertenversammlung beschlossene Parteilinie zu vertreten. Ich habe hohen Respekt vor unserer direkten Demokratie, und deshalb werden wir nicht röter oder grüner, um unseren politischen Gegnern zu gefallen, wie dies einige Leute gemutmasst haben. Es ist allerdings klar, dass mein lateinischer Ursprung mich sehr oft stark verbindet mit den Positionen der Romandie, in welchen ich Sensibilitäten und Akzentsetzungen erkenne, die manchmal von jenen der Deutschschweiz abweichen. Aber dies ist eben die Schweiz, es ist ihre Geschichte als Willensnation und unser Reichtum.

I.P.: Im Tessin ist die SVP nie so richtig gut vom Fleck gekommen (dies wegen der Lega?) wie in anderen Kantonen. Denkst Du, dass sich dank Deiner Präsidentschaft daran etwas ändern wird? Inwiefern wird die Tessiner SVP mittel- bis langfristig davon etwas profitieren können?

Ich habe meine Wahl nicht aus einer parteipolitischen Tessiner Warte aus begriffen, glaube aber, dass meine neue Rolle unserem Kanton nützlich, ja sehr nützlich sein dürfte. Auf den Präsidenten jener Partei zählen zu könne, die mit Überzeugung und motiviert auftritt in den für uns wichtigen Kämpfen (wie vor allem für den Inländervorrang, den Arbeitsmarkt und die Grenzsicherheit) kann dabei ausschlaggebend sein.

I.P.: Christoph Blocher, Ueli Maurer, Toni Brunner, Albert Rösti – vier Persönlichkeiten, die in den letzten 30 Jahren die SVP-Bühne geprägt haben. Was bedeuten sie Dir? Welche besonderen Fähigkeiten ordnest Du ihnen zu, die Dir in Deiner Präsidentschaft als Vorbild dienen können?

Alle diese Persönlichkeiten versinnbildlichen die Vergangenheit, die Gegenwart und, glücklicherweise, die Zukunft der SVP. Heute werde ich als lächelnden Hardliner dargestellt, so ein wenig als ein Toni Brunner aus dem Tessin. Viele Journalisten haben zudem versucht, meine Nähe zu Blocher metermässig festzulegen, einige haben sogar glossiert, dass Blocher der Pate meiner Kinder sei, und vieles mehr. In Tat und Wahrheit sind diese Titanen der nationalen Politik „nur“ Schweizer, die ich hoch achte wegen deren Engagement zugunsten eines unabhängigen und freien Landes. Das ist, was auch ich nachdrücklich will.

I.P.: Eine letzte Frage: Die SVP verfügt im Tessin mit „Il Paese“ über eine sehr parteinahe Zeitung. Liest Du sie? Welche Bedeutung kommt diesem Blatt Deines Erachtens zu?

Klar lese ich diese Zeitung, und ich habe sie stets unterstützt. Ich ermuntere alle Leute, „Il Paese“ zu abonnieren, denn dieses Blatt bietet dank ihren Redaktoren eine nicht konventionelle Sicht der Tessiner und Schweizer Politik.

I.P.: Lieber Marco, vielen Dank für Deine Bereitschaft für dieses Interview. Wir wünschen Dir von Herzen viel Erfolg in Deiner neuen Funktion.

Ich danke euch meinerseits und wünsche auch allen euren Leserinnen und Lesern einen glücklichen Spätsommer in ausgezeichneter Gesundheit.

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