Klagelieder via Internet
Editorial
Der Sport, den ich in jungen Jahren ausgiebig ausübte, hat mich eines gelernt: Dass die Klagen nach einem verlorenen Spiel oder verlorenem Rennen absolut unnütz sind, dass sie weder das Resultat verändern noch eventuelle Folgen mildern. Wenn du einen Tennismatch verlierst spielt es keine Rolle, ob das infolge eines fehlerhaften Schiedsrichterentscheids oder aufgrund eines glücklichen Netzrollers des Gegners geschah, du bist ausgeschieden und kannst nichts anderes tun, als beim nächsten Turnier besser zu spielen. Du kannst höchstens – das wäre sogar empfehlenswert – dein Spiel analysieren, um künftig allfällige Fehler zu vermeiden. Zu heulen, das Tennisracket zu zerschlagen, zu fluchen, den Gegner oder den Schiedsrichter zu beleidigen mag zwar vielleicht befreiend wirken, ändert aber nichts an der faktischen Realität. Das gleiche gilt für Abstimmung über politische Themen. Das haben wir nach der Abstimmung über die EU-Waffenrichtlinie erlebt. Aber da niemand gerne verliert, wiederholt sich dieses Phänomen nach allen Abstimmungen.
Die unnötigen Klagelieder
Im Vergleich zu früheren (besseren) Zeiten hat sich an den Wehklagen der Verlierer nicht verändert, nur haben diese heute ein milliardenfach effizienteres Mittel zur Verfügung zu deren Verbreitung, als es früher das Gepolter am Stammtisch oder im Familienkreis war: Heute gibt es Internet, dessen „social media“ vollgefüllt werden mit unnötigen und repetitiven Kommentaren. Wie beim Beispiel mit der Tennispartie, gibt’s für jeden etwas: Es gibt kein Racket zum Zerstören, und ich bezweifle, dass jemand seinen Computer zerhämmere, weil er ihm schlechte Nachrichten vermittelt hat, aber auch hier gibt es Leute die quengeln, sich schlicht über das Resultat beklagen, Leute die fluchen, die sämtliche Leute beleidigen, die anders gestimmt haben als man es selber wünschte (das sind die Gegner) oder auch die Behörden (das ist der Schiedsrichter), der durch parteiische Entscheide das Spiel entschieden hat. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich selber auch mit einigen witzigen Bemerkungen auf gewisse Facebookposts reagiert habe, aber glaublich in moderater Form und nicht ohne eine Portion Humor. Um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen: Ich ziehe in keiner Weise die Logik und Richtigkeit der dargelegten Argumente in Zweifel, sondern stelle lediglich fest, dass es unnütze Energieverschwendungen sind nach einer nunmehr verlorenen Schlacht.
Die Abstimmungsanalyse
Natürlich gibt es schon einiges zum Überlegen, insbesondere (aber nicht nur) über den nicht sonderlich korrekten Schlendrian, den unserer Behörden seit ein paar Jahrzehnten in Abstimmungsfragen an den Tag legen – oft und gerne mit gütiger Mithilfe von Parteien, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und so genannten „Experten“ – um uns über die mögliche Folgen von Volksentscheiden schamlos anzulügen. Diesmal haben sie uns angelogen über den Ausschluss der Schweiz vom Schengener Abkommen – der rein vertragsmässig nicht ausgeschlossen, aber höchst unwahrscheinlich ist und vor allem in gewisser Weise wünschbar wäre – einem Abkommen, von welchem sie lediglich die positive Seite sehen, nämlich den Zugang zum Informationssystem (SIS) für die Kriminalitätsbekämpfung. Aber sie verschweigen uns folgendes: 1. Dass auch die Schweiz Daten ins SIS einspeist, folglich hat die EU keinerlei Interesse daran, unser Land auszuschliessen, um es (wie sie es sagt) sicherheitsmässig zu einer Unsicherheitsinsel im Herzen Europas werden zu lassen; 2. Viele Daten, welche die Schweiz vom SIS abruft, wären auch via Interpol erhältlich; 3. Schengen hat es hat es den Kriminellen erlaubt, in ganz Europa ohne Kontrollen an den internen Grenzen herumzureisen, was dazu führte, dass die EU-Staaten selber im Falle wichtiger Anlässe oft die Schengener Bestimmungen ausser Kraft setzen und ihre Grenzkontrollen wieder einführen. Wollen Sie ein Beispiel für diesen Widerspruch ? Die Banden rumänischer Krimineller, die vom nahen Italien aus in unserer Grenzregion immer wieder in unsere Häuser einbrechen. Rumänien ist ein EU-Mitgliedstaat, und die Bürger dieses Landes – inklusive aller Kriminellen – können sich problemlos auf dem europäischen Territorium frei hin und her bewegen. Und die Schweiz darf dank (oder besser gesagt infolge) des Schengener Abkommens keine Personenkontrollen an ihren Grenzen vornehmen.
Aber, um auf die Abstimmung zurück zu kommen: Sie hat den bereits anlässlich der Selbstbestimmungsinitiative bewiesenen Erfolg der Taktik bestätigt, unter Anwendung von Erpressung und Psychoterror zum gewünschten Resultat zu gelangen. Diese Taktik wird von Bundesbern sicherlich auch künftig immer dann angewendet werden, wenn es darum geht, das Volk über wichtige Dinge abstimmen zu lassen.
Das institutionelle Rahmenabkommen steht kurz bevor
Wie ich bereits während der Kampagne gesagt habe, war die Abstimmung über die EU-Waffenrichtlinie nur das erste Salamischeibchen, um uns die automatische Übernahme des EU-Rechts abzuverlangen. Dies erfolgte unter Ausnutzung des Widerwillens vieler Leute gegen den Waffenbesitz. Diese Leute wurden irregeleitet über die Frage, um die es wirklich ging, nämlich um die heimtückischen Konsequenzen der Vorlage: Die automatische Übernahme jeglichen neuen Rechts, das uns die EU für jederlei Form von bilateralen Abkommen vorsetzen wird. Will praktisch heissen: Automatische Übernahme sämtlichen EU-Rechts. Die gewonnene Abstimmung über die EU-Waffenrichtlinie wird nun als Dietrich oder Diebeshaken dienen, um dies durchzusetzen.
Mit dem institutionellen Rahmenabkommen wird uns der verbleibende Rest des ganzen Salamis verabreicht werden, nicht scheibchenweise, und wohl nicht oral. Die Taktik wird die nunmehr erfolgreiche sein, denn man wird uns sagen: Wenn Ihr dem Rahmenabkommen nicht zustimmt, fallen die Bilateralen dahin, die Schweiz ist isoliert und wird vom EU-Binnenmarkt ausgeschlossen. Und da das Schweizer Volk unter der Wirkung des betrügerisch vorgebrachten Damoklesschwerts eines Schengen-Ausschlusses der EU-Waffenrichtlinie zugestimmt hat, soll es dann gefälligst das gleiche tun, wenn man ihm glaubhaft machen wird, dass sämtliche Bilateralen Abkommen auf dem Spiel stehen; das ist alles andere als eine irrige Prognose. Man kann nur darauf hoffen, dass es im Zeitpunkt der Abstimmung darüber in den EU-Staaten zu Veränderungen gekommen sein wird, die auch unsere Widerwilligsten davon überzeugen, dass das kleine Schweizer Schiffchen bedeutend sicherer ist als die EU-Titanic: Brexit, zunehmende Wahrnehmung ihrer Nationalstaatlichkeit seitens der EU-Staaten mit weiteren möglichen EU-Austritten, und in der Schweiz vielleicht die eine oder andere Folge der EU-Waffenrichtlinie, welche die uns seitens der Behörden hemmungslos vorgegaukelten Märchen aufdeckt.
Die Zeit der Klagelieder ist vorüber. Krempeln wir uns die Ärmel hoch, um dieses neuerliche und weitaus wichtigere Problem in Angriff zu nehmen.
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