Jetzt sprechen wir über unser Gesundheitswesen

Ago 15 • Deutsche Seite, Prima Pagina • 1449 Views • Commenti disabilitati su Jetzt sprechen wir über unser Gesundheitswesen

Das superteure schweizerische Gesundheitssystem wird Jahr um Jahr teurer. Die Krankenkassenkosten explodieren. Was sind die Gründe? Und vor allem: Lässt sich etwas dagegen tun, wenn ja, was? Die schweizerische Gesundheitspolitik hat bisher keinerlei befriedigende Antwort auf diese Frage gefunden. Deshalb möchten wir in zwei oder drei Ausgaben unseres Blattes dieses brennende Problem angehen und vertiefter thematisieren, um eine zielgerichtete politische Diskussion darüber in Gang zu halten. In der vorliegenden Ausgabe vor unseren Ferien umreisst unser Mitarbeiter Rolando Burkhard das Problem und skizziert aus der Sicht eines prämienzahlenden Bürgers eine Auslegeordnung möglicher Lösungen. In unserer nächsten Ausgabe nach den Ferien (7. September) werden sich dann unsere Ärzte zu Wort melden: Dr. med. Alexander Von Wyttenbach (Arzt und Ehrenpräsident der Tessiner SVP) und Dr. med. Daniela Soldati (HNO- Ärztin). Dr. med. Mila Burkhard-Garcia (früher Ärztin in den Philippinen) wird – als Kontrapunkt und zum Vergleich mit unserem System – aus praktischer Sicht das ehemalige und derzeitige Gesundheitssystem in einer völlig anderen Welt darstellen.

Rolando Burkhard

Unser systemimmanent quasi-„korruptes“ Gesundheitswesen liegt im Akutspital

 Unser Gesundheitswesen steckt arg in der Krise – in einer eklatanten Finanzkrise, weil es uns in der Schweiz in seiner vielleicht qualitativ zu exzessiven Form zugunsten aller insgesamt viel zu viel an Prämien und Steuern kostet. Die Prämien der Krankenkassen wachsen seit Jahren explosiv an und steigen von Jahr zu Jahr bedeutend mehr als der persönliche Einkommenszuwachs, und es wird immer schlimmer (für 2019 sind zusätzlich 4% prognostiziert, da die verordnete Senkung von Medikamentenpreisen und Tarifen angesichts der Mengenausweitungen der Leistungen schlicht verpufft gemäss Santésuisse soll die Zunahme nun plötzlich “nur” 3 % betragen. Dies schlicht deshalb, weil es zu einer weiteren Verschiebung der Kosten von den Prämienzahlern zu den Steuerzahlern kommt). Bereits heute zahlen rund 30 % der Leute ihre Krankenkassenprämien und Heilungskosten ganz oder teilweise nicht mehr selber. Deren Krankheitskosten übernimmt dann der Staat, das heisst wir alle. Wer seine Steuern und seine Krankenkassenprämien heute noch regelmässig vollumfänglich bezahlt, zahlt nicht nur immer mehr Geld für seine eigene Gesundheit, sondern auch für all jene, die behaupten, kein Geld dafür übrig zu haben. Dies alles wirft viele dornenvolle Fragen auf.

Ist die Kostenfrage entscheidend?

Die hohen Kosten unseres Gesundheitswesens werden verursacht durch die hohen Kosten für Spitalbehandlungen, ärztliche Leistungen und die Medikamentenpreise. Diese Kosten sind allesamt sehr hoch (und vielleicht teilweise wirklich zu hoch), weil wir glauben, uns einen gesundheitlichen Luxusservice leisten zu können. Natürlich könnte man das Problem einfach auf die zu hohen Kosten für unser luxuriöses Gesundheitswesens reduzieren und beispielsweise billigere Medikamente und weniger teurere Spital- und Ärztetarife verlangen. Damit ist es allerdings nicht getan. Denn das Problem liegt weitaus tiefer.

Niemand hat eine Spur eines Interesses an Einsparungen; deshalb geschieht denn auch seit Jahren rein gar nichts

Leistungserbringer:

Klar, dass die Ärzte, Spitäler und Pharmaunternehmen das allergrösste Interesse an der Erbringung best- zw. grösstmöglicher Leistungen haben, denn was immer sie tun bringt ihnen zusätzliches Einkommen, da ihnen ja alles automatisch bezahlt wird; sei es von den Krankenkassen, den Patienten oder dem Staat. Wozu denn sparen?

Krankenkassen:

Die Krankenkassen sind nicht primäre Kostenverursacher, sie verdienen allerdings als Umverteiler der gigantischen Geldmengen des Gesundheitssystems sehr viel Geld und sind dadurch sekundäre Kostenverursacher. Natürlich haben auch sie wenig Anlass, ernsthaft irgendwelche Kosten des Gesundheitssystems einzusparen, denn damit verdienen sie ja ihr Geld. Ob eine staatliche Einheitskasse (wie sie die Linke seit Jahren fordert) billiger wäre, ist zutiefst fraglich. Wozu denn sparen?

Patienten als Zahler der Krankenkassenprämien:

Nun wird es heikel. Denn gemäss einer jüngsten Meinungsumfrage (GFS-Institut Bern im Auftrag des Pharmaverbandes Interpharma) sollen den Schweizern die ständig höheren Prämien egal sein, sie möchten vielmehr am umfassenden teuren Leistungskatalog festhalten. Nur noch 16% der Befragten betrachteten gemäss Umfrage die Prämien als Problem für ihren Haushalt. Dieses Resultat erstaunt in doppelter Hinsicht.

Denn erstens: Wie können nur 16% der Leute die Prämien als nicht zu hoch betrachten, wenn 30% der Leute sie nicht mehr oder nur teilweise selber bezahlen können? Offenbar hat man in der Umfrage auch all jene 30% der Leute einbezogen, die keine oder nur stark reduzierte Prämien bezahlen!

Zweitens: Ein Hauptargument für die Antworten war: Wenn wir schon so viel bezahlen, wollen wir auch die beste Medizin dafür erhalten. Will heissen: Die Patienten als obligatorische Zahler der Krankenkassenprämien erwarten im Gegenzug für ihre immer höher werdenden Prämien – so quasi als „return of investment“ – auch immer bessere, teils unnötige Leistungen. So fordern sie medizinische Leistungen auch dann an, wenn es nicht zwingend nötig wäre, nur schon weil sie diese ihres Erachtens durch ihre teuren Prämienzahlung bereits als abgegolten betrachten und dieser luxuriöse medical service von ihnen ohnehin kaum zusätzlich bezahlt werden muss. Die Katze beisst sich in den Schwanz. Warum denn sparen?

Neckische Nachbemerkung: Gemäss einer noch aktuelleren Meinungsumfrage – diesmal nicht durchgeführt von Longchamps GFS-Institut („berühmt“ geworden durch seine katastrophale Fehlprognose bei der Minarett-Abstimmung) sondern von Tamedia – nehmen die hohen Krankheitskosten im Sorgenbarometer der Schweizer den ersten Rang ein: 70% der Bevölkerung sehen in den steigenden Gesundheitskosten ein drängendes Problem. Wer immer noch an die Richtigkeit von Ergebnissen von Meinungsumfragen glaubt, ist selber schuld!

Patienten, die keine oder nur beschränkt Krankenkassenprämien bezahlen: Dies ist eine Sonderkategorie, die ich als besonders arrogant empfinde. Es geht einerseits um all jene vorweg Ausländer (Asylbewerber, vorläufig Aufgenommene, Asylanten bis hin zu illegalen Aufenthaltern) die rein gar nichts bezahlen, aber wie selbstverständlich die höchsten Ansprüche stellen für ihre Gesundheitsversorgung. Hinzu gesellen sich all jene anderen (Schweizer inklusive), die behaupten, sich die Krankenkassenprämien nicht leisten zu können. Darunter Leute, die sich hingegen problemlos grosszügige Ferien, unnötige Kommunikationsmittel, teils mehrere teure Fahrzeuge und wer weiss was anderes leisten können. Für die alle zahlen wir als zahlende Mitglieder der Krankenkassen und als Steuerzahler beträchtliche Summen. Sparen sollen wir, damit diese mit ihrem Geld tun und lassen können, was ihnen beliebt? Warum sollten denn gerade die Nichtzahler von Prämien sparen?

Staat als Regulator des Gesundheitswesens: Der Staat hätte vielleicht – da er ja für das Gesundheitswesen zuständig ist, und angesichts seiner exponentiell anwachsenden Kosten für die Gesundheitspflege von angeblich Minderbemittelten – das allergrösste Interesse an einer Änderung des Systems. Dem ist allerdings keineswegs so: Da der Staat diese Kosten problemlos auf die Steuerzahler abwälzen kann und man dem sozialistischen Prinzip folgt „alle haben Anspruch auf alles, ungeachtet ihres Beitrages zugunsten aller“, geschieht nichts, rein gar nichts. Auch deshalb nicht, weil allzu viele fürstlich bezahlten sozialistische Gutmenschen und Interessenvertreter von Leistungserbringern, Krankenkassen etc. in unseren Parlamenten hocken. Warum denn sollten all diese Parlamentarier am Stuhl sägen, auf dem sie gemütlich hocken? Irgendwie ist deshalb das System unseres Gesundheitswesens allzu interessengeprägt, ja zumindest quasi-„korrupt“. Warum sollte deshalb der Staat sparen?

Unser Gesundheitssystem ist quasi-„korrupt“

Um unser Gesundheitssystem radikal zu verändern, müsste man vorerst einmal das quasi-„korrupte“ System der diversen Interessenvertreter, die sich zur Wahrung ihrer Interessen die Hand reichen, durchbrechen. Praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, ohne eine gute Hälfte der Bundespolitiker in die Wüste zu schicken. In Bundesrat und Parlament haben so quasi alle Partner des Gesundheitssystems ausser den regulär Prämien zahlenden Bürgern eine wasserdichte Lobby.

So erstaunt es denn nicht, dass unsere Politiker für dieses seit Jahren schwelende Problem weder eine Lösung gefunden haben noch ernsthaft etwas Brauchbares vorschlagen. Dafür sind die zu unterschiedlichen Interessenlagen einfach zu gross.

Mehr Eigenverantwortung

Etwas aufweichen könnte man das System durch verbindliche Regelungen zur Stärkung der Eigenverantwortung. Denn je mehr ein Patient selber bezahlen muss, umso weniger wird er unnötigerweise medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. So hat denn auch die Chefin der Krankenkasse CSS, Frau Philomena Colatrella, jüngst in einem provokativen Zeitungsinterview laut über den Effekt nachgedacht, wie sich ein allgemeiner Selbstbehalt (Franchise) von 5’000 – 10’000 Franken auf die Krankenversicherungsprämien und die wachsende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen auswirken würde. Das war natürlich rein provokativ, und die arme Dame wurde danach in einem gewaltigen Shitstorm medial geradezu gesteinigt.

Aber Recht hat sie eigentlich schon. Gerade 10’000 Fr. Franchise müssten es ja nicht unbedingt sein, aber eine höhere Franchise zwecks Erhöhung der Eigenverantwortung könnte durchaus nützlich sein für die Reduktion der Übernutzung des Gesundheitssystems und damit für die Kostenreduktion. Doch die Politik sieht das völlig anders:

  • Die CVP möchte mit der Lancierung einer Initiative mit dem Titel „Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen“ das Wachstum der Krankenkassenprämien bremsen. Sie verlangt, dass die Gesundheitskosten – und damit auch die Prämien – nicht stärker wachsen als die Gesamtwirtschaft und die Löhne. Das ist eine nichts bringende typische Placebo-Initiative, denn sie argumentiert nur angebots- und nicht nachfrageseitig und bringt nichts. Denn schon heute erhält jeder dritte Haushalt Prämienverbilligungen, und sie steht auch in krassem Widerspruch zu den Ergebnissen der allerdings fragwürdigen erwähnten ersten Umfrage, wonach die Schweizer mit höheren Prämien gut leben können. Zudem beantwortet sie die Frage nicht, was denn geschehen solle, wenn das festgelegte Kostendach überschritten würde.
  • Die SP sieht’s naturgemäss anders. Sie argumentiert mit Prämienverbilligungen und plant eine Initiative, welche die Prämienlast auf maximal 10% des verfügbaren Haushaltseinkommens begrenzt. Also auch ein rein kosten- und nicht nachfrageseitiger Ansatz. Zudem findet sie, dass weniger Wettbewerb im Gesundheitswesen etwas bringe (die SP kommt somit einmal mehr mit ihrem Ladenhüter Einheitskasse bzw. Staatsmedizin).     Ausländische Modelle studierenVielleicht würde es sich lohnen, auch das eine oder andere ausländische Gesundheitssystem zu studieren. Warum nicht auch dasjenige von Singapur (siehe Artikel unten)?
  • Es darf auch nicht sein, dass Leute, die sich wer weiss welchen Luxus leisten – um danach, angeblich mittellos, zu behaupten, nicht mehr in der Lage zu sein, ihre Krankenkassenprämien bezahlen zu können – uneingeschränkt dieselbe luxuriöse medizinische Betreuung erhalten wie jene, die jahrelang Prämien bezahlt haben.
  • So dürfte es nicht sein, dass Asylbewerber, abgewiesene Asylbewerber bzw. „vorläufig Aufgenommene“ oder Sans-Papiers, die infolge des chronischen rechtlichen Weiterzugs ihres aussichtslosen Verfahrens jahrelang bei uns bleiben können, ihre Einreise in die Schweiz wegen ihrer Krankheit – ungeachtet des Ausgangs des Asylverfahrens – nur zum Zwecke einer superteuren medizinischen Gratis-Spitalbehandlung antreten.
  • Vielleicht müsste man heute auch das Undenkbare denken, um unser offenbar erwünschtes, hoch qualifiziertes superteures Medizinalsystem auf seinem derzeitigen Stand zu erhalten. Will heissen, dass sich die superteure Medizin nicht mehr alle, sondern nur noch jene leisten können, die willens und in der Lage sind, dafür zu bezahlen. Jene, die bewusst wenig oder gar nichts bezahlen wollen oder es wirklich nicht können, sollten sich mit einer durchaus guten, aber weitaus bescheideneren medizinischen Grundversorgung zufrieden geben müssen.

Médecine à deux vitesses? Warum denn nicht?

Vielleicht müsste man heute auch das Undenkbare denken, um unser offenbar erwünschtes, hoch qualifiziertes superteures Medizinalsystem auf seinem derzeitigen Stand zu erhalten. Will heissen, dass sich die superteure Medizin nicht mehr alle, sondern nur noch jene leisten können, die willens und in der Lage sind, dafür zu bezahlen. Jene, die bewusst wenig oder gar nichts bezahlen wollen oder es wirklich nicht können, sollten sich mit einer durchaus guten, aber weitaus bescheideneren medizinischen Grundversorgung zufrieden geben müssen.

So dürfte es nicht sein, dass Asylbewerber, abgewiesene Asylbewerber bzw. „vorläufig Aufgenommene“ oder Sans-Papiers, die infolge des chronischen rechtlichen Weiterzugs ihres aussichtslosen Verfahrens jahrelang bei uns bleiben können, ihre Einreise in die Schweiz wegen ihrer Krankheit – ungeachtet des Ausgangs des Asylverfahrens – nur zum Zwecke einer superteuren medizinischen Gratis-Spitalbehandlung antreten.

Es darf auch nicht sein, dass Leute, die sich wer weiss welchen Luxus leisten – um danach, angeblich mittellos, zu behaupten, nicht mehr in der Lage zu sein, ihre Krankenkassenprämien bezahlen zu können – uneingeschränkt dieselbe luxuriöse medizinische Betreuung erhalten wie jene, die jahrelang Prämien bezahlt haben.

Ausländische Modelle studieren

Vielleicht würde es sich lohnen, auch das eine oder andere ausländische Gesundheitssystem zu studieren. Warum nicht auch dasjenige von Singapur (siehe Artikel unten)?

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Das Sparkonto als Krankenversicherung

 Singapur ist ein asiatischer Kleinstaat. Der wohl einzige, der punkto Einkommens- und Lebensverhältnissen und seiner hohen Qualität der Gesundheitsversorgung einigermassen vergleichbar ist mit der Schweiz. Mit einem auf individuellen Gesundheitssparkonten basierenden Finanzierungssystem wird dort die Eigenverantwortlichkeit gestärkt. Auch für die Schweiz hätte ein solches System Vorteile.

Singapurs „National Health Plan“ führte zu einem Paradigmenwechsel. Durch Einführung eines kapitalbasierten Finanzierungssystems nimmt die steuerbasierte Finanzierung der Krankheitskosten ab und wird die Eigenverantwortlichkeit der Versicherten gestärkt. Das neu geschaffene „Medisave-Programm“ verpflichtet Erwerbstätige zum Aufbau eines Kapitalstocks, der später anfallende Gesundheitskosten decken soll.

  • Die Gesundheitskosten verlagern sich von der staatlichen auf die individuelle Ebene
  • Medisave deckt nicht sämtliche Krankheitskosten. Die Patienten müssen sich – ähnlich wie in der Schweiz – mit eigenen Mitteln an den Kosten beteiligen.
  • Medisave ist keine Versicherung, sondern eine Kapitalakkumulation auf einem individuellen Gesundheitssparkonto. Ein Kapitalaufbau findet quasi automatisch statt, da im Durchschnitt die Gesundheitskosten vor allem in den späteren Lebensjahren anfallen.Das Medisave-Programm gleicht in den Grundzügen dem schweizerischen System der beruflichen Altersvorsorge. Die Beiträge auf das Medisave Sparkonto werden durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber geleistet – sie nehmen mit Alter und Einkommen zu. Erst wenn das Medisave-Konto eines Individuums aufgebraucht ist, kann er in begründeten Fällen staatliche Unterstützung erhalten.

 

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