Empörung nach variabler Geometrie

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Eros N. Mellini

Editorial

Erinnern Sie sich noch an das kurze Filmchen, welches die SVP in ihrer Abstimmungskampagne zugunsten der Begrenzungsinitiative vom vergangenen September verbreitete? Dargestellt wurde ein Mädchen, das darin einige der schädlichen Folgen der Masseneinwanderung – Zubetonierung, Unsicherheit, Arbeitslosigkeit etc. – bedauerte und sich jene einstige Schweiz zurück ersehnte, die es ihr ihre Eltern und Grosseltern beschrieben hatten. Welt stürze ein! Das Video rief eine Welle der Entrüstung hervor unter den Gutmenschen diversen Typs, aber natürlich alles klar Leute linksgerichteter Tendenz (was eigentlich unnötig zu spezifizieren ist, weil das Gutmenschentum insgesamt linksgerichtet ist, auch wenn das einige Leute nicht feststellen); Leute, welche diese leckere Gelegenheit keineswegs verpassen wollten, um die SVP zu verleumden. Es sei schändlich – posaunten sie – die SVP würde Kinder missbrauchen für eine Abstimmungskampagne!

Um ein Beispiel zu nennen: Der Präsident der Tessiner CVP Fiorenzo Dadò schrieb in der Presse: „Die Instrumentalisierung der Kinder ist ein unwürdiger Akt! Die Schweiz, wir Schweizer sind nicht so! (…) Schande! Wer sich das ausgedacht und finanziert hat, sollte sich zumindest dafür entschuldigen! Lieber SVP-Präsident Marco Chiesa, Du der uns stets erbaust mit Deinen schönen und idyllischen positiven Posts Deiner Kinder wirst sicher darin übereinstimmen, dass dieses Video einen erschaudern lässt, und wir sind sicher, dass das nicht Dein Werk ist und Du Dich von einer solchen Obszönität distanzieren wirst. Oder?“. Und Franco Cavalli antwortete ihm auf Facebook: „Schlicht ekelhaft, am Rande von Kindsmisshandlung. Ich dachte, sie hätten mit ihren Plakaten das Limit erreicht, aber fürs Schlimmste gibt’s offenbar keine Obergrenzen mehr“.  Andere Leute setzten daraufhin nach: „Ich stimme Deinem Artikel voll und ganz zu; Kinder für eine Abstimmungskampagne zu missbrauchen ist unwürdig und nicht tolerierbar“ und weiter „Als Vater und Grossvater erschaudere ich darob, dass sie ein Mädchen benutzt haben, um ihre Kampagne anzutreiben. Es ist wirklich wahr, dass dem Schlimmsten keine Grenzen gesetzt werden!!!“ oder auch: „Ich bin sprachlos. Es ist kriminell, Kinder zu missbrauchen und sie zu Rassismus zu verleiten“. Und noch viele weitere Kommentare desselben Tenors.

Es hatten ja schon in diesem Zeitpunkt verschiedene Leute hervorgestrichen, dass die Instrumentalisierung von Greta Thunberg seitens der Klimalobby, die weit über das Aufstellen einiger tausend Plakate hinausging, zugunsten einer grünen Bewegung, die nunmehr linker ist als die Sozialisten, überhaupt keinerlei Reaktionen hervorgerufen hatte.

Nun sind wir im November aufgerufen, über die x-te wirtschaftsfeindliche Initiative abzustimmen; eine, welche die Autoren schlauerweise als „Konzernverantwortung“ deklariert haben, und so auf den heftigen Widerwillen setzen, den der Normalbürger gegen die grossen internationalen Industriebetriebe hegt. Allerdings steht fest, dass ein Ja zur Initiative de facto auch die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) treffen würde, also das Rückgrat unserer Schweizer Wirtschaft.

 

Nun sind die Initiativisten  – worunter sich viele Befürworter der „billigen Empörung“ wie die bereits zitierten Dadò und Cavalli gesellen – nicht davor zurück geschreckt, eine Werbung (ein Video auf ihrer Internetsite) zu schalten, welche zugunsten der Kampagne ein unschuldiges Mädchen „instrumentalisiert“.

Übrigens scheinen gut unterrichtete Kreise gesagt zu haben, dass das Mädchen, das auf der Photo erscheint, rein symbolisch gemeint sei, das heisst, dass es nicht vergiftet wurde, wie das der Slogan dieser Abstimmungswerbung glauben machen will.

Folgerichtigkeit ist wahrlich nicht das hervorstechendste Merkmal der Gutmenschen. Was kommt als Nächstes? Eine neue Empörungswelle oder eine neue Aktion, welche deren Widersprüchlichkeit untermauert? Wir brauchen nur zuzuwarten, denn die SVP wird sicher nicht damit aufhören, ihre eigenen Positionen zur Verteidigung der Schweiz zu vertreten, dies auch mit provokativen Messages. Provokationen, auf welche die linksgerichteten Gutmenschen hereinfallen werden. Aber es ist auch durchaus möglich, dass die Gegner zu allererst weitere Fauxpas begehen werden, die wir – losgelöst von jeglicher ebenso scheinheiligen wie unnützen Empörung – sicherlich aufdecken werden. Zwischenzeitlich sei den Gutmenschen das folgende Sprichwort in Erinnerung gerufen: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“.

 

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