Einige Fragen an Christoph Blocher
Zur angekündigten Beendigung des Rahmenabkommens
Am 26. Mai hat der Bundesrat endlich offiziell die Beendigung des institutionellen Rahmenabkommens bekannt gegeben, welches die Schweiz praktisch zu einem Untertanengebiet der EU gemacht hätte. Christoph Blocher war 2014 – als die Öffentlichkeit nicht einmal davon wusste, dass diesbezüglich Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU in Gang gesetzt wurden – der Erste, der Alarm schlug, indem er in Zürich das Komitee EU-NO ins Leben rief, welches sodann Grosses leistete punkto Aufklärung und Warnung vor den Gefahren eines solchen Abkommens. Weiter ist zu sagen: Wenn die Schweiz heute die abgewendete Gefahr feiern kann, verdanken wir dies ein weiteres Mal – wie 1992 beim EWR – der Weitsicht des ehemaligen Bundesrats. Wir fanden es angebracht, ihm dazu spontan einige Fragen zu stellen.
I.P.: Herr Blocher, heute ist ein historischer Tag für die Schweiz und insbesondere wohl auch für Sie. Welche Gefühle hat bei Ihnen die Nachricht ausgelöst, dass der Bundesrat mit seinem Entscheid, diesen aussichtslosen Dialog endlich zu beenden, die konsequenten Schlüsse gezogen hat?
C.B.: Ob es ein historischer Tag ist, wird erst die Zukunft weisen. Es ist auf jeden Fall ein Tag der Freude: Der 26. Mai 2021 ist ein Tag der schweizerischen Freiheit. Ein wichtiger Meilenstein! Die Regierung hat beschlossen die Volksrechte der Schweiz zu wahren und die Gesetzgebungshoheit und die Gerichtsbarkeit nicht aus den Händen zu geben. Soweit herrscht Freude. Aber der 26. Mai 2021 ist auch der Tag der Wachsamkeit: Leider ist zu befürchten, dass in Zukunft – unter anderen Tönen und mit anderen Namen – wieder das Gleiche geschieht. Also alter Wein in neuen Schläuchen. Hüten wir uns – die Zeit arbeitet für uns. Wachsamkeit ist gefragt.
I.P.: Erinnern wir uns an die erste Gründungsversammlung des Komitees EU-NO in Zürich, als die von Ihnen bekannt gegebene Nachricht über die Aufnahme von Verhandlungen für ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU uns alle überrascht hat. Praktisch war niemand ausser Ihnen darüber auf dem Laufenden. Sie haben uns die mit einem solchen Abkommen verbundenen Gefahren dargelegt und uns gesagt: «Eine allfällige Abstimmung würde nicht unmittelbar stattfinden, sondern erst 2016 oder 2017, aber wir müssen uns darauf vorbereiten.» Nun, wir haben uns so gut vorbereitet, dass es schliesslich zu keiner Volksabstimmung kommen wird. Dies ist ein Erfolg, den man Ihnen zuerkennen muss, so wie jener vom 6. Dezember 1992, als das Volk NEIN sagte zum EWR. Welche Parallelen ersehen Sie aus diesen beiden, fast 30 Jahre auseinander liegenden Ereignissen?
C.B.: Nicht ich habe gewonnen – sondern die Schweiz und die Schweizer Bürger. Zudem, ich war nicht allein – es waren zahlreiche Leute vor und hinter den Kulissen. Ich bin nur ein Zahnrädchen in dieser Phalanx. Sowohl beim EWR wie bei diesem Rahmenvertrag ging es um den gleichen Missstand: Sowohl der EWR-Vertrag als auch das institutionelle Abkommen verlangten eine Eingliederung der Schweiz in die EU, um anschliessend der EU beizutreten. Beides waren im Grunde genommen Kolonialverträge und eines freien Volkes unwürdig.
I.P.: Das Seilziehen zwischen dem Bundesrat und der EU – natürlich ausgelöst aus der wachsenden Erkenntnis, dass das Abkommen in der gegenwärtigen Form nie und nimmer vom Volk angenommen worden wäre – hat viele Missverständnisse verursacht und unseren Verhandlungspartner irritiert; so dass wir uns von seiner Seite auf einige Retorsionsmassnahmen gefasst machen müssen. Wie beurteilen Sie die vom Bundesrat in diesen Jahren verfolgte Strategie, und was ist Ihres Erachtens nun seitens der EU zu erwarten?
C.B.: Die EU ist unzufrieden – das ist verständlich – weil sie ihr Interesse nicht durchsetzen konnte. Sie wird versuchen, ihre Macht auszuspielen. Wenn Sie das aber tut, hat die Schweiz diese abzuweisen und im Wiederholungsfall das Gleiche gegen die EU-Impulse zu erlassen. Bedenken wir: Die Schweiz kauft mehr in der EU als die EU in der Schweiz kauft. Es liegt an der Schweiz, die Freiheit zu sichern.
I.P.: Bundesbern wimmelt es von Euroturbos, die – obschon sie das Gegenteil behaupten – sämtliche Tricks anwenden dürften, um die Schweiz in die EU zu führen. Besteht das Risiko, dass der Abbruch der Verhandlungen nur unsere Sicht vernebelt für keinesfalls aufgegebene politische Wunschvorstellungen?
C.B.: Die Gefahr besteht. Darum gilt es, wachsam zu bleiben. Hütet Euch vor den EU-Turbos!
I.P.: Zum Schluss: Sie haben 1986 die AUNS gegründet und 2014 das EU-Komitee. Die AUNS, welche die Ablehnung des EWR zum Ziel hatte, hat ihre Tätigkeit dadurch fortgesetzt, dass sie eine wichtige Funktion für die Kontrolle und Kritik gegenüber Bundesbern wahrnahm. Diese Funktion war oft massgebend für den Kampf gegen schädliche Vorhaben für unsere Freiheit und Selbstbestimmung. Wird das Komitee EU-NO dies auch tun?
C.B.: Nein. Das Komitee EU-NO bezweckt, die institutionelle Bindung mit der EU zu verhindern. Dieses ist für den Augenblick zunächst erreicht. Wir müssen dieses aber noch endgültig verhindern, d.h. eine verbindliche Erklärung von Bundesrat und Parlament haben, dass es in Zukunft keine institutionelle Bindung geben darf. Und die steht noch aus. Erst dann wird das Komitee EU-NO aufgelöst. Der Kampf geht weiter. Eine schwierige Schlacht zum Erhalt der Freiheit ist gewonnen – aber noch nicht der Krieg!
I.P.: Nach dem Ende des Rahmenabkommens hat die SP bereits eine Europainitiative geplant. Werden Sie sich bei deren Bekämpfung persönlich engagieren?
C.B.: Natürlich, wenn es nötig ist und ich in der Lage bin.
I.P.: Lieber Herr Blocher, wir möchten Ihnen zu Ihrem Erfolg nochmals herzlich gratulieren, und wir danken Ihnen für Ihre Bereitschaft für dieses Interview.
C.B.: Grazie mille. Viva Ticino. Viva l’UDC-Ticino!