Dies ist ein Heilmittel. Konsultieren Sie eine Fachperson und lesen Sie die Packungsbeilage

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Humoreske

 

Ich besitze ein Natel. Ein Natel easy, d.h. eines, wofür ich nur für die effektiv getätigten Anrufe bezahle. Ich brauche es wenig. Nun habe ich von der Swisscom einen höflichen Brief bekommen. Darin stand: Wenn ich mein Natel während 12 Monaten nicht benutze, wird es automatisch desaktiviert. Das ist mir übrigens schon einmal passiert, und da wurde mein gespeichertes Gesprächsguthaben von Fr. 87.15 kurzerhand gestrichen. Einfach so.

 

Warum sage ich Ihnen das ? Nun, weil ich gleichentags zufälligerweise mit der Post auch die Monatsrechnung meiner Krankenkasse erhielt. Das ist ja bekanntlich eine jener Rechnungen, die einen guten Teil des Monatsbudgets auffressen. Und da ich meine Krankenkasse ebenso wenig beanspruche wie mein Natel, bin ich erschrocken: Denn wenn die Krankenkassen die Swisscom-Strategie anwendeten, könnte mir ja über kurz oder lang wegen Nichtbeanspruchung medizinischer Leistungen jegliche künftige Behandlung allfälliger Krankheiten verweigert und mein „Krankenkassenkapital“ auf 0 abgeschrieben werden.

 

Und so beschloss ich, wieder einmal einen Arzt aufzusuchen. In der Tat tat mir mein rechter Zeigefinger seit einigen Tagen etwas weh (obschon ich, wie gesagt, kaum je telefoniere…!). Der Arzt zeigte sich sehr besorgt, röntgte von unten bis oben mein gesamtes Knochengerüst, ordnete eine atomabsorptionsspektrophotogrammetische Untersuchung des Gehalts fetaler Knochen an anorganischen Substanzen meines Zeigefingers zwecks Ermittlung meines mutmasslichen Lebensalters an, und riet mir, vorsichtshalber eine Darmspiegelung vornehmen zu lassen und eine Sexualtherapie zu besuchen. Zudem gab er mir eine Packung Pillen (3 x täglich einzunehmen).

 

Pillen. Ein Medikament. Wie heisst es doch jeweils in der Werbung ? „Dies ist ein Heilmittel; konsultieren Sie eine Fachperson und lesen Sie die Packungsbeilage“. Nun: Eine „Fachperson“ hatte mir die Verabreichung ja verschrieben, also erübrigte sich eine Konsultation. Also stürzte ich mich wie wild auf das Lesen des beigelegten Packungszettels.

 

Da habe ich nicht wenig gestaunt. Auf dem 50 x 16 cm messenden, doppelseitig kleinstgedruckten Faltformular fand ich gerade mal magere 7 Zeilen darüber geschrieben, was das Medikament überhaupt sei und wofür/wogegen es helfe. Danach folgten rund 120 Zeilen (also rund 95% des Textes) darüber, wann ich das Medikament NICHT anwenden sollte, wann Vorsicht geboten sei, samt einer nicht enden wollenden Liste von möglichen Nebenwirkungen. Diese Liste alleine wäre Grund genug dafür gewesen, das Medikament zwecks Lebensrettung ungebraucht im Tempo des gehetzten Affen umgehend an ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle oder an das Paul-Scherrer-Institut zu entsorgen.

 

Doch zurück zur Packungsbeilage: Da standen äusserst wichtige Hinweise, wie etwa (sinngemäss): Bei Kindern und Jugendlichen bis zum 17. Altersjahr sollte das Arzneimittel nicht angewendet werden und für Erwachsene ab 18 Jahren ist die Anwendung nicht zu empfehlen. Oder: Männer dürfen das Medikament während ihrer Schwangerschaft nicht einnehmen und während ihrer Stillzeit ist die Annahme nicht empfohlen (nun ja, angesichts des jüngsten Eurosong-Contests ist die Warnung ja durchaus verständlich). Und: Die Restpackung der Pillen dürfen Sie nicht Ihrem nächsten Risotto beimischen (wohl wegen der Gefahr des Überkochens). Es fehlte nur noch der Hinweis, dass das Medikament im Falle des Versterbens sofort abzusetzen sei.

 

Nun ja: In einer Zeit, in der es offenbar Leute gibt, die ihre Katze in der Waschmaschine waschen und im Tumbler trocknen, die im Falle eines verstopften Küchenablaufs die Notrufzentrale der Kriegsmarine alarmieren und die über ein derart tiefes Selbstwertgefühl verfügen, dass sie alle 3 Minuten mittels Handy, Twitter oder Facebook dem Rest der Welt beweisen müssen, dass sie noch da sind – nun ja, in einer solchen Zeit sind die Warnhinweise auf Packungsbeilagen jeglicher Art wohl traurigerweise gerechtfertigt. Ebenso wie die jüngste EU-Richtlinie, wonach die Tuben von Schamhaaarentfernungscremen wegen Verwechslungsgefahr mindestens 3 cm länger sein müssen als jene für Zahnpasta.

 

 

Ronco

 

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