Die Armee ist ein Grundpfeiler unseres politischen Systems

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Eros N. Mellini

Eros N. Mellini

Editorial

Die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) gibt nicht auf. Trotz niederschmetternden Niederlagen bei ihren bisherigen Initiativen ist es ihr gelungen, zum neunten Mal einen ihrer Vorschläge zur Volksabstimmung zu bringen; diesmal geht es um die Abschaffung der Wehrpflicht. Doch machen wir uns nichts vor, denn die zum Frasse vorgesetzte Suppe bleibt unverdaulich und ist stets dieselbe – die GSoA zeichnet sich nicht durch grosses kulinarisches Talent in der Zubereitung ihres politischen Menus aus – aber diesmal sagt man uns: „Komm doch, los, iss mindestens einen Löffel voll…“. Persönlich hoffe ich, dass der ganze Topf dieser Brühe an den Absender zurückgeschickt wird, wenn nötig in Form eines wirksamen Klistiers.

 

Die Milizarmee – die aus jedem Bürger (wenngleich leider die Ausnahmen von diesem Prinzip immer häufiger werden) einen ausgebildeten Soldaten macht, der stets einsatzbereit ist wenn es das Vaterland zu verteidigen gilt – ist ein Grundpfeiler unseres politischen Systems, und sie darf nicht auf eine Handvoll Freiwilliger mit dubioser Motivation reduziert werden; dies ohne jegliche Garantie, dass diese ihren Auftrag voll erfüllen werden und erst noch überdurchschnittlich bezahlt sind, weil man sonst niemanden findet.

 

Der Genfer Nationalrat Yves Nidegger hat an der jüngsten Delegiertenversammlung der SVP eine interessante Überlegung angestellt: „Welches wäre – hat er ausgeführt – die Reaktion der Linken zu einem Vorschlag, in der Verfassung festzuschreiben, dass 1. niemand gezwungen werden dürfe, die Steuern zu zahlen, und dass 2. die Schweiz ein freiwilliges Fiskalsystem einführe ? Genau das entspricht übrigens dem Wortlaut der GSoA-Initiative, nur bezogen auf eine andere geltende Rechtspflicht.“

 

Obschon der Vergleich provokativ erscheint, trifft er voll zu. Denn  wie viele Leute würden ihre Steuern zahlen, wenn sie nicht dazu gezwungen würden ? Und wie könnte der Staat einen Finanzplan erstellen, ohne zu wissen, mit wie vielen Einnahmen er rechnen kann ? Übertragen wir dies auf die Armeefrage: Wie viele hypothetische „Freiwillige“ gäbe es ? Und wie könnte das VBS ein Programm zur Erfüllung seines verfassungsmässigen Auftrags erstellen ohne zu wissen, mit welchem Personalbestand es rechnen kann ? Das wäre der absolute crash, und das ist denn auch das eigentliche Ziel der GSoA: Eine Schweiz ohne Armee.

 

Warum benötigt die Schweiz die Armee  (abgesehen vom traditionellen Wert dieser Institution, mit welcher die Bevölkerung alles in allem stets eng verbunden blieb, wenn vielleicht auch mit etwas unterschiedlichen Visionen) ? Es sind meines Erachtens hauptsächlich zwei Gründe: Erstens der verfassungsmässige Auftrag der Landesverteidigung, und zweitens die erstrangige Funktion, welche die Armee – aber nur in Form des obligatorischen Milizsystems – für die Erreichung und Erhaltung des nationalen Zusammenhalts erfüllt.

 

Der erste Punkt – unser Gebiet und seine Bevölkerung zu schützen – ist klipp und klar, diskutieren kann man allenfalls das „wie“. Aber was immer die Verleumder sagen mögen (wonach die heutigen kriegerischen Bedrohungen andere Mittel als eine traditionelle Armee erforderten): Auch wenn es zutreffend ist, dass die stärkere Macht in der aggressiven Konfliktphase auch ohne direkte Konfrontation zwischen Armeen grössten Schaden verursachen kann, ist im Besetzungsfall (ich sehe nicht ein, warum ein Land ein anderes angreifen sollte ohne es danach besetzen zu wollen) diese Konfrontation – wenn der Verteidigungswille vorhanden ist – absolut unausweichlich. Und genau hier spielt die traditionellen Armee eine grosse Rolle. Abgesehen natürlich vom Fall des Einsatzes von Nuklearwaffen, was aber – weil in jeder Hinsicht kontraproduktiv – tunlichst vermieden wird, so dass er auch während des Kalten Krieges nur als nötiges Abschreckmittel diente. Korea und Vietnam haben klar gezeigt, dass auch Weltmächte à la USA angesichts eines zur Verteidigung des eigenen Landes bereiten Gegners ihre Ziele nicht zu erreichen vermögen. Wäre das Schweizer Volk heute weniger entschlossen als einst die Koreaner und Vietnamesen, ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen ? Das glaube ich nicht, auch wenn ich logischerweise hoffe, dass ein solcher Verteidigungsfall nie nötig sein werde. Ihren Verteidigungswillen hat unser Volk während des Zweiten Weltkriegs bewiesen, und ich bin überzeugt, dass es auch heute bereit wäre, seine Pflicht zu erfüllen. Aber das Volk muss in seiner Gesamtheit dazu bereit, voll ausgebildet und ausgerüstet sein, und unsere Geschicke dürfen nicht von einer Handvoll Freiwilliger abhängen.

 

Der zweite Grund für die Beibehaltung der Wehrpflicht ist in einem Staat wie dem unsrigen (einer Willensnation, die nicht aus atavistischen Wurzeln und Traditionen herausgewachsen ist) von erstrangiger Bedeutung. Wenn immer ein Tessiner, ein Deutschschweizer und ein Romand an einem Tisch zusammensitzen, vergeht keine Viertelstunde, bis sie über den Militärdienst zu sprechen beginnen. Warum ? Ganz einfach weil es sich um eine – vielleicht die einzige – gemeinsame Erfahrung handelt, welche sie alle verbindet, ungeachtet deren individuellen sozialen, kulturellen oder politischen Status’. Wenn wir die Wehrpflicht beibehalten, wird dieser Faktor der Zusammengehörigkeit weiterhin alle (oder fast alle) Schweizer vereinen; wäre der Dienst hingegen freiwillig, würde der geleistete Militärdienst zu einer Erfahrung von wenigen Leuten, und er wäre nicht viel mehr Wert als eine Mitgliedschaft im Rotary Club oder im lokalen Boccia-Verein.

 

Deshalb dürfen wir diesen unschätzbaren Wert nicht verlieren und müssen am 22. September NEIN sagen zur GSoA-Initiative zur Aufhebung der Wehrpflicht.

 

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