Das «Bundesrats-Sport-Toto» ist in vollem Gange
Editorial
Die Demission von Bundesrat Ueli Maurer hat nun das im Gang befindliche «Bundesrats-Sport-Toto» ausgelöst. Die Fragen sind: Wer kandidiert, wer verzichtet auf eine Kandidatur, wer möchte möglichst publikumswirksam erscheinen und wer weniger; viele Namen werden tagtäglich in den Medien genannt.
Vorbemerkungen
Die erste Vorbemerkung ist institutioneller Art: Angesichts der «Zauberformel» bestreitet niemand, dass der Sitz von Ueli Mauer wieder von der SVP besetzt werden muss. Davon abgesehen verbleiben aber parteiinterne Voraussetzungen, die zwar nicht ärztlich verordnet, aber vorgeschrieben sind von einer Logik hinsichtlich der (unbestreitbaren) angemessenen Vertretung der Sprachgemeinschaften und jener (weniger wichtigen, aber wünschbaren) der Kantone.
Die SVP verfügt heute über einen Bundesrat deutscher Sprache (den Zürcher Maurer) und über einen französischsprachigen (den Waadtländer Parmelin). Letzterer wird anteilsmässig der «lateinischen Schweiz» zugerechnet, also irgendwie auch der italienischsprachigen. Da nun aber die Romandie bereits mit einem Waadtländer Bundesrat vertreten ist, der keinerlei Demissionsabsichten verlauten lässt, und da das Tessin im Bundesrat (leider) bereits mit dem FDP-Bundesrat Cassis vertreten ist, ist es klar, dass der SVP- Kandidat aus der Deutschschweiz stammen muss.
Prominente Personen, die sich leider zurück gezogen haben…
Persönlich hätten mir die sicherlich für dieses Amt geeigneten Gregor Rutz (Zürich), Toni Brunner (St. Gallen) oder Adrian Amstutz (Bern) gefallen, um nur drei zu nennen, die die nötigen Fähigkeiten zweifellos mitgebracht hätten. Ersterer verfügt über Nationalratserfahrung und war acht Jahre lang unter der Präsidentschaft von Ueli Maurer Generalsekretär der SVP Schweiz, der Zweite war acht Jahre lang kompetenter Parteipräsident, und der Dritte war jahrelang unser sehr geschätzter Fraktionschef im Nationalrat. Leider haben alle drei ihren Verzicht auf die Kandidatur für den Bundesrat erklärt. Zu ihnen hinzu gesellt sich natürlich Magdalena Martullo Blocher, deren Managerfähigkeiten mit ihrer erfolgreichen Leitung der Ems Chemie unbestritten sind. Auch Esther Friedli, Nationalrätin und Partnerin von Toni Brunner, wurde als wählbar erklärt, hat sich aber ebenfalls zurück gezogen.
…und andere, nicht minder fähige Kandidaten
Nicht weniger geeignet sind die zwei Kandidaten, die bisher ihre Bereitschaft bekundet haben: Albert Rösti und Werner Salzmann, beide aus dem Kanton Bern. Ersterer ist Nationalrat, war vier Jahre lang Parteipräsident und hat einen bemerkenswerten beruflichen Werdegang absolviert (Agraringenieur mit Doktorat in Wissenschaftstechnik, einem MBA in Finanzpolitik in den USA, diverse betriebliche Leitungsfunktionen) und ist bekannt als versöhnliche und dialogbereite Person trotz seinem klaren Bekenntnis zur rigorosen Parteilinie in Grundsatzfragen. Werner Salzmann, Ständerat, ist ebenfalls Agraringenieur, aber vielleicht etwas weniger bekannt als Rösti. Nichtsdestotrotz ist er, so wie ich ihn seit Jahren kenne, der Parteilinie ohne wenn und aber treu.
Die abstruse Hypothese
In den «Social Networks» zirkulieren natürlich die wildesten Hypothesen oder – besser gesagt – Wunschvorstellungen. Die abstruseste von ihnen ist momentan jene über eine Kandidatur von Marco Chiesa. Sie ist nicht deshalb abstrus, weil der Genannte nicht auf der Höhe dieser Aufgabe sein würde, sondern weil nur eine Serie von glücklichen Umständen seine Wahl ermöglichen würde. Da müsste schon vorher der gegenwärtige SVP-Bundesrat der Romandie zusammen mit Ignazio Cassis zurück treten. Denn wenn es bereits kaum denkbar ist, dass gleich zwei Tessiner gleichzeitig im Bundesrat sind, ist es ebenso utopisch zu denken, dass die SVP auf ihren Deutschschweizer Sitz verzichtet zugunsten von zwei «Lateinern», mögen diese noch so gut sein. Ich bin der Erste, der sich Marco Chiesa als nächsten Bundesrat italienischer Sprache wünschen würde, aber damit dies geschieht, müsste vorerst der SVP-Bundesrat der Romandie zurück treten, und sodann dürfte kein anderer Tessiner im Bundesrat sitzen.
Das parlamentarische Wahlsystem
Als man 2013 letztmals über die Volkswahl der Bundesräte abstimmte, erlitt dieser Vorschlag in der Volksabstimmung Schiffbruch, die Initiative wurde mit 76,3 % der Stimmen abgelehnt. Meines Erachtens deshalb, weil der Text der Initiative selber höchst kompliziert formuliert war. Sätze wie «Sind nach dem normalen Wahlverfahren nicht mindestens zwei Personen aus den französisch und italienischsprachigen Gebieten gewählt, sieht die Initiative Folgendes vor: Die den beiden Gebieten vorbehaltenen zwei Bundesratssitze werden nach einem besonderen Berechnungsverfahren vergeben, welches das sogenannte geometrische Mittel verwendet und damit den Stimmen aus den französisch und italienischsprachigen Gebieten ein höheres Gewicht gibt. Das funktioniert so: Die Zahl der Stimmen, welche die dort wohnhaften Kandidatinnen und Kandidaten in diesen beiden Sprachgebieten erhalten haben, wird multipliziert mit ihrer Stimmenzahl aus der ganzen Schweiz. Aus dem Ergebnis wird die Wurzel gezogen.» konnten die Stimmbürger ja schlichtweg nur erschrecken und dazu verleiten, für den Status Quo einzutreten. Es wäre weitaus vernünftiger gewesen, nur über das Prinzip abstimmen zu lassen (da hätte man eine Mehrheit erreichen können), um sodann genügend Zeit für die Ausarbeitung eines Ausführungsgesetzes zu haben, in welchem die oben erwähnten Kriterien konkretisiert werden, ohne dass man das Volk dazu nochmals hätte befragen müssen. Das ist jammerschade, denn das Prinzip ist weitestgehend unumstritten, und es ist schwer verständlich, warum es nicht, wie auf kantonaler und kommunaler Ebene, auch auf Bundesebene perfekt funktionieren sollte.
Der Fehler des heutigen Systems ist, dass die Kandidaten/-innen von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt werden müssen, d.h. von den anderen Parteien, die natürlich die Kandidaturen jener Personen bevorzugen, die ihres Erachtens mit ihrer eigenen Politik am besten überein stimmen. Also: Je parteiferner sich ein Kandidat oder eine Kandidatin profilieren, desto grösser sind seine/ihre Chancen, gewählt zu werden. In diesem Fall: Je weniger jemand auf der SVP-Parteilinie politisiert, desto mehr wird er von den gegnerischen Parteien bevorzugt. Das führte denn auch dazu, dass es seinerzeit zur Wahl von Bundesräten kam, welche die SVP nur als Steigbügel benutzten, so wie Samuel Schmid oder Eveline Widmer-Schlumpf.
Der Rollenwechsel
So oder so – welchen Wert der/die Neugewählte aus Sicht der Partei für sie haben wird, lässt sich nicht voraus sagen. Denn wenn sie einmal in der Exekutive sind, wird er/sie nicht mehr die gleiche Oppositionspolitik betreiben können wie in der Legislative. Die – oft aus vielerlei Gründen verdammte – Konkordanz auferlegt es ihnen, Haltungen einnehmen zu müssen, die den eigenen Überzeugungen widersprechen, was insbesondere bei kämpferischen Typen wie Blocher oder Maurer der Fall war. Solche Haltungen interpretiert das Volk oft als drastische Meinungswechsel, als richtiggehenden Verrat an der bis anhin verfolgten Parteipolitik. Ehrlich gesagt, ich beneide die Bundesräte nicht um ihr Amt, das sie oft in einen schwer verdaulichen Zwiespalt geraten lässt, gegen den sich manchmal (nicht oft, aber es kam auch schon dazu) Ueli Maurer aufgelehnt hat und damit die Giftpfeile der Linken und der sie unterstützenden Medien auf sich gelenkt hat.
Warten wir ab, wer die zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten/-innen sein werden, das Rennen ist offen. Ich kenne sie persönlich und blicke zuversichtlich in die Zukunft.